Sikkim setzt auf schwarz – Schwarzer Kardamom

Food, Organic

Die landwirtschaftliche Regierung des nordostindischen Bundesstaates Sikkim forciert als eine von vier cash crops den Schwarzen Kardamom. Dieses bei uns weitgehend unbekannte Gewürz wächst vor allem in den Wäldern der vom Himalaya abfallenden Gebirgshänge. In den letzten Jahren kam es beinahe zum Totalausfall der Ernte. Für die Missernte werden heute gerne zwei Schuldige genannt: die Regierung und der Klimawandel. Nüchtern betrachtet, trifft aber beide nicht die Hauptschuld.

Schwarzer Kardamom Lager Sikkim Bio (c) Reinhard Gessl

Die lokalen Lager sind mit Schwarzem Kardamom gefüllt und warten auf Abnehmer rund um die Welt. (c) Reinhard Gessl

Schwarzer Kardamom? Kenne ich nicht!

In Österreich hat in den letzten Jahren der (kleine) Grüne Kardamom (Elettaria cardamomum) einen erfreulich vielfältigen Eingang in die Würzroutine junger, kochbegeisterter Menschen gefunden. Die Beliebtheit des gänzlich anders schmeckenden (großen) Schwarzen Kardamoms (Amomum subulatum bzw. Amomom tsao-ko) beschränkt sich hingegen derzeit auf die (südost)asiatische Cuisine. Dieses nur in Nepal, Sikkim und Bhutan angebaute Gewürz braucht zum guten Gedeihen subtropisches Klima mit kühlen Nächten und eine gute Wasserversorgung. Die zartgelben Blüten und somit auch die braunroten Samen sitzen an der Basis der etwa einen Meter hoch wachsenden, spitzblättrigen Stauden. Bei der Ernte werden die Kapseln mit einem speziellen Messer ausgestochen und entweder in der Sonne oder aber über offenem Feuer getrocknet.

Schwarzer Kardamom Blüte Sikkim Bio (c) Reinhard Gessl

Die Blüten – und dementsprechend auch die Samenkapseln – sitzen beim Schwarzen Kardamom an der Basis. Geerntet wird mit einem speziellen Messer. (c) Reinhard Gessl

Schwarzer Kardamom wächst im Wald

Ideale Wachstumsbedingungen findet das Ingwergewächs im Halbschatten unter schlanken, lichtbelaubten Nepalischen Erlen (Alnus nepalensis). Eines der agrarischen Hauptprodukte Sikkims wächst also nicht am Feld, sondern in einer Waldlandwirtschaft (agroforestry). Von den etwa 75.000 Hektar biozertifizierten Sikkimer Biofläche nehmen die subtropischen Wälder mit Kardamombestand aktuell etwa 17.000 Hektar ein. Circa 9000 Hektar davon liegen in Nordsikkim. Mit der Zertifizierung dieser ökonomisch besonders bedeutsamen Flächen wurde die Kontrollstelle SSOCA (Sikkim State Organic Certification Agency) beauftragt.

Schwarzer Kardamom fordert schmerzhaft einen Fruchtwechsel

Vor etwa zehn Jahren betrug die Kardamom-Anbaufläche noch 24.000 Hektar. Die Differenz zu heute wurde Opfer des karadamomtödlichen Pilzes colletotrichum gloeosporioides. Die Sikkimer Bauern bezahlen gewissermaßen für das Missachtenvon zwei Grundsätzen 1. Der Schwarze Karadamom braucht unbedingt einen Fruchtwechsel, muss also nach sechs bis sieben Jahren von der Fläche genommen werden und 2. Mit dem Bio-Entscheid der Sikkimer Regierung stehen seit 2003 keinerlei chemisch-synthetische Pilzvernichtungsmittel mehr zur Verfügung – das frühere Rückversicherungssytem gibt es nicht mehr.

Pilz – Schaden – Schuldige

Schwarzer Kardamom Setzlinge Sikkim Bio (c) Reinhard Gessl

Die Sikkimer Bauern bekommen die Kardamomsetzlinge von der Regierung kostenlos zur Verfügung gestellt. (c) Reinhard Gessl

Es kam also, wie es kommen musste. Die alten Kardmompflanzen wurden wie gewohnt einfach auf den Flächen belassen. Der bodenbürtige Pilz entwickelte sich daraufhin prächtig und vernichtete ohne Fungizidspritzungen die Kardamombestände großflächig. Hat sich der Pilz im Boden einmal entwickelt, muss für ein Neuanfang eine Anbaupause von zumindest zehn Jahren eingehalten werden. Derzeit können die betroffenen Farmer nur warten. Mit dem Einnahmenentfall sind viele von ihnen in ihrer ökonomischen Existenz bedroht. Die Schuld suchen sie natürlich nicht bei sich selber, sondern bei den anderen: bei der Regierung, die ihnen keine Spritzmittel mehr bereit stellt aber auch beim globalen Klimawandel, weil es oft schon sehr heiß wird.

Ein sehr wertvolles Gewürz

Der verbliebene Karadamombestand liefert gute Erträge und die Exporte der biozertifizierten Ware liefern den umsichtig wirtschaftenden Bauern ein gutes Einkommen. Mit jahreszeitlichen Schwankungen können im Durchschnitt beachtliche 1000 Indische Rupien (umgerechnet rund 15,- Euro) pro Kilo Schwarzen Kardamom erlöst werden. Die landwirtschaftliche Regierung hat mit dem Kardamom noch große Pläne. Im ersten Schritt soll Anfang 2018 ein neu entwickeltes „100 % Sikkim Bio“-Zeichnen die Herkunft und die die Einzigartigkeit betonen. In vielen Trainingseinheiten werden die Bauern geschult, möglichst große Samen zu produzieren, diese schonend und geruchsneutral zu trocknen und schließlich professionell zu lagern und zu verpacken.

Schwarzer Kardamom Lager Vermarktung Sikkim Bio (c) Reinhard Gessl

In Zukunft wird die Vermarktung des Schwarzen Kardamoms noch viel professioneller. Da sind sich die Regierung und die Vermarkter einig. (c) Reinhard Gessl

Ein neuer Liebling der Schmorgerichte

Bei der küchenmäßigen Verwendung muss ich mich auf meine Erfahrungen mit dem etwa zwei Zentimeter großen amomum subulatum beziehen. Der deutlich größersamige Amomom tsao-ko beschränkt sich nämlich sowohl im Anbau als auch als Gewürz auf den zentral- und südchinesischen Raum. Also: Verwendet werden die Samen, entweder im Ganzen oder grob angebrochen, in würzigen, deftigen, vegetarischen und dunkelfleischigen Eintöpfen und Schmorgerichten. Die kampferfrischen, rauchigen Aromen entfalten sich in den Gerichten am besten mit der Zeit, also mit dem Stehenlassen und Wiederaufwärmen. Als besondere Eigenschaft wird beschrieben, dass der Schwarze Kardamom in der Lage ist, die Aromen der anderen Gewürze zu verstärken und angenehm zu betonen.

Schwarzer Kardamom am Weg nach Österreich

Schwarzer Kardamom Lager Sikkim Bio (c) Reinhard GesslFür die Sikkimer Landwirtschaft birgt der Schwarze Kardamom die Hoffnung auf eine goldene Zukunft. Mit der 100 %igen Biozertifizierung sollten am europäischen, amerikanischen aber auch asiatischen Markt gute Erlöse erzielt werden können. Sonja und ich werden als unseren persönlichen Anteil versuchen, das interessante Bio-Gewürz am österreichischen Gewürzmarkt vorzustellen. Von dort ist es in den Rest der (reichen) Welt nicht mehr so weit.

Offizielle „Organic Mission“ der Regierung von Sikkim

Sikkim Organic Mission – eine Stabsstelle der Regierung

Beitrag von

Reinhard Geßl
Reinhard Geßl
Mein Herz schlägt beruflich seit 25 Jahren für eine ökologisch-tiergerechte Landwirtschaft. Die Zukunft der Landwirtschaft kann nur so aussehen! Ich sehe es als meine Berufung, ProduzentInnen und KonsumentInnen zusammen zu bringen.