Die Künstlerin Monika Pirch hatte 2004 einen kleinen Acker südwestlich von Mönchengladbach geerbt. Als sie 2013 ein Kaufangebot dafür erhielt, stellte sie sich die Frage, wie man den Wert eines Stücke Landes bemessen kann und drehte den Film „1 ha 43 a“. Darin nähert sie sich dem Wert ihres Bodens auf verschiedene Weise an. Wir wollten wissen, was sie dabei herausgefunden hat, und stellten Frau Pirch per Skype unsere Fragen.
Sind die 14.300 m2 noch in Ihrem Besitz?
Ja, das sind sie.
Warum haben Sie den Acker noch immer nicht verkauft?
Das Kaufangebot, das ich damals bekommen habe, hat meinen Film nur ausgelöst. Aber mir ging es bei „1 ha 43 a“ nie darum, den Geldwert dieses Stück Lands festzustellen. Oder besser gesagt, es ging mir darum, den Wert über dem Geldwert hinaus zu zeigen. Und zwar innerhalb der engen Grenzen, die es dabei gibt. Man darf ja nur ganz wenig machen auf seinem Land, man darf zum Beispiel kein Haus darauf bauen oder ich darf mich dort auch nicht begraben lassen.
Sie dürfen dort auch kein Windrad aufstellen zur Energiegewinnung. Wenn es denn möglich gewesen wäre, wären Sie gerne „Windbäuerin“ geworden?
Windräder sind meiner Ansicht nach etwas Spezielles. Sie nehmen kaum Platz weg für die Landwirtschaft, drunter und darum herum kann ein „normales“ Feld sein und der Bauer weiterhin Landwirtschaft betreiben. Was in meinem Film aber deutlich herauskommt, ist dieser unglaublich hohe Mehrwert der Windenergie im Vergleich zur Lebensmittelerzeugung: Als Windbäuerin könnte ich Wahnsinns-viel mehr Geld für dieselbe Fläche bekommen. Da hätte ich ausgesorgt, davon könnte ich wahrscheinlich leben. Was ja mit meinem Acker heute nicht mehr möglich ist – vor 100 Jahren aber schon. Grundsätzlich finde ich aber Windräder sehr OK. Es wäre natürlich auch eine enorme finanzielle Investition…
Ihre Großeltern Wilhelm und Wilhelmine waren Landbesitzer und Sie sind das ebenso. Sie stellen aber gleich zu Beginn Ihres Films fest: „Bauer war bislang keiner in der Familie“. Was bedeutet es für Sie eigentlich, Land zu besitzen?
Landbesitz bedeutet für mich, dass ich für das Stück Acker, das mir gehört, Verantwortung zu tragen habe. Wie eigentlich wir alle Mitverantwortung tragen für das, was mit den Flächen rund um uns herum passiert! Was ich zeige im Film, ist, dass dieser kleine Acker früher eine ganze Familie ernährt hat. Heute ist das anders, ein Landbesitzer kann davon nicht mehr leben. Im Film sage ich dazu: Ich kaufe von der Pacht die Weihnachtsgeschenke.
Was ist für Sie der Boden Ihres Ackers? Dreck? Erde? Staub? Schlamm?
Boden ist das Entscheidende für unser aller Überleben! Der Boden meines Ackers ist extrem ertragreich, es gibt in Deutschland kaum einen besseren. Das ist „goldener Boden“, wie es Herr Rueb von der Landwirtschaftkammer NRW im Film sagt. Da fände ich es zum Beispiel nicht im Rahmen meiner Verantwortung, dort eine Wiese anzulegen. Das wäre zwar etwas, das ich prinzipiell machen dürfte, aber da ist es verantwortungsvoller, dafür zu sorgen, dass auf einem solchen guten Boden auch Lebensmittel produziert werden.
Haben Sie Ihren Boden jemals schon gekostet, ob er wirklich so gut ist?
(Lacht) Nein, in den Mund genommen hab ich ihn noch nie. Aber ich weiß ja auch gar nicht, wann dafür eigentlich die beste Zeit ist, denn mein Pächter arbeitet konventionell, nutzt also Kunstdünger und Spritzmittel.
Ja, das haben wir in Ihrem Film „1 ha 43 a“ gesehen. Herr Kämmerling fährt mit tonnenschweren Geräten über Ihren Boden. Er spritzt seine Kartoffeln gegen Kartoffelkäfer. Was glauben Sie: Welche Auswirkungen könnten diese Belastungen, die Spritzungen – oder auch die Beize auf seinem Saatgut – auf Ihren Acker haben?
Zuerst einmal will ich meine Herangehensweise erklären. Ich wollte als Städterin und Filmemacherin auf keinen Fall ins Dorf zu den Bauern fahren, die schon seit Jahrzehnten dort Landwirtschaft betreiben, und ihnen erklären, wie sie ihren Job machen sollen! Ich habe stattdessen einfach zugehört. Und dabei habe ich bei meinem Pächter eine Art von Schizophrenie bemerkt: Er erzählte mir zum Beispiel bedauernd, dass es früher viel mehr Hasen gegeben hätte. Und Insekten und Vögel– also eigentlich die gesamte Nahrungskette, und dass die im Laufe der Zeit verschwunden ist. Aber er führt diesen Verlust nicht wirklich auf seine Landbewirtschaftung zurück oder auf die Gifte, die er ausbringt. Das schien für ihn keinen relevanten Zusammenhang zu haben.
Dass es kaum noch wilde Tiere auf Ihrem Acker gibt, stellen Sie während einer Beobachtung im Film auch fest: Erst „um 16:21 Uhr“ kam das erste freilebende Tier – eine Hummel – in Ihre Nähe. Wo sind die Tiere?
Dass da keine Tiere mehr sind, sagen ja dann auch die Jäger im Film. Wo sollten sie auch sein? Rund um die Felder gibt es ja nichts mehr, keine Hecken, keine Bäume, nichts wo sich die Tiere verstecken könnten. Diese Hummel war dann übrigens neben einigen Feldlerchen das einzige Tier – abgesehen von Hunden und Pferden – das ich an diesem Tag auf meinem Acker gesehen habe. Aber warum sollten Hummeln oder Bienen auch dorthin fliegen wollen? Es gibt ja auch keine Blumen dort, keine Nahrung!
Wie gut kennen Sie die andern Landwirte im Dorf Ihres Ackers? Wie bewirtschaften die ihre Felder?
In Beckrath kenne ich mittlerweile alle Bauer der benachbarten Felder. Denn während der Dreharbeiten habe ich noch weitere Kaufangebote bekommen. Es sind alles konventionelle Bauern, da gibt es keinen Bio-Bauern im Dorf.
Haben Sie schon überlegt, Ihr Land an einen Bio-Bauer zu verpachten?
Natürlich habe ich das. Aber das geht aus zwei Gründen nicht. Einerseits gibt es in der Nähe meines Ackers wie gesagt keinen Bio-Betrieb. Und für diese kleine Fläche – nicht einmal zwei Hektar – würde es sich für einen weiter weg gelegenen Bio-Bauern nicht rentieren, für die Bewirtschaftung so weit zu fahren. Und andererseits wird Herr Kämmerling, mein Pächter, erst in ein paar Jahren in Rente gehen. Er ist mit Herz und Verstand Bauer. Und so wie ich es sehe, ist es ja in seinem Eigeninteresse, die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten. Er will ja gute Erträge erzielen! Ich gehe also davon aus, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten das Beste tut für den Boden. Erst wenn er das Feld nicht mehr bearbeiten wird, möchte ich neu entscheiden. Es geht dabei auch darum ihm nicht noch mehr Fläche wegzunehmen, denn kleinbäuerliche Betriebe haben Schwierigkeiten genügend Anbaufläche zu bekommen.
Und übrigens: Auch alle anderen Personen, mit denen ich für den Film gesprochen habe – vom Herrn von der Landwirtschaftskammer bis zu jenem vom Braunkohlewerk versuchen ja aus ihrer Warte heraus mit dem Boden sinnvoll zu arbeiten. Das Problem ist der Rahmen! Denn es geht letztlich immer ums Geld. Am Ende ist die Rendite der entscheidende Faktor.
Kaufen und essen Sie die Kartoffeln (oder die anderen Produkte) Ihres Pächters?
Das kann ich nicht, denn Herr Kämmerling verkauft ja keine Produkte an den Endkunden. Und seine Kartoffeln könnte ich gar nicht kochen, es ist eine Sorte für die Pommes-Produktion. Die fallen im Topf einfach auseinander. Aber in unseren Gesprächen habe ich etwas sehr Irritierendes erfahren: In jenem Jahr, in dem ich den Film gedreht habe, waren die aktuellen Kartoffelpreise an den Handelsplätzen kurzzeitig so im Keller, dass mein Pächter für 100 Kilo Industriekartoffeln nur einen Euro bekommen hätte. Das ist doch absurd?!
Was sind Ihnen nach dem einen Jahr Suche die 1,43 Hektar eigenes Land nun wert?
Jedenfalls kein Wert, der sich in Geld bemessen ließe! Ich weiß, dass Boden eine unwiederbringliche Ressource ist. Wenn die Humusschicht einmal ausgelaugt ist oder schlimmer noch versiegelt wurde, kann die Fruchtbarkeit nicht einfach wieder hergestellt werden. Die Humusbildung ist ein Prozess über Generationen!
Da sehe ich eine riesige Wissenslücke bei den meisten Menschen: Es gibt ganz viele Leute – vermutlich auch Entscheidungsträger in der Politik oder in den Kommunen – die über das Thema Bodenfruchtbarkeit überhaupt nichts wissen!
Was müsste getan werden, um das zu ändern?
Es müsste den Entscheidungsträgern deutlich gemacht werden, wie wichtig jeder einzelne Hektar Boden ist! Denn oft spielt der gar keine Rolle. Im Gegenteil, es werden mit viel Finanz-Backup Leute bezahlt, die Lobbying betreiben, um mit der Verteilung von Flächen mehr Geld zu machen und den Boden und seine Wertigkeit dabei einfach zu ignorieren.
Kann Ihr Film dabei eine Rolle spielen?
Das wäre fein! Er hat ja den Spezialpreis bekommen beim Nature Festival in Innsbruck und wird auch immer wieder einmal gezeigt. Ich hoffe es jedenfalls, dass er zu mehr Wissen rund um den Boden anregt. Denn: Ein Bewusstsein für die Ressource Boden, die ist für unsere Zukunft entscheidend!
Webtipps:
- Informationen zum Film „1 ha 43 a“
- Kontakt zur Filmemacherin Monika Pirch
- YouTube-Film „Lets talk about soil“
- YouTube-Film „The value of soil“
- YouTube-Film „Better safe soil“
- Bodenportal der FAO
Beitrag von
- Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!
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