In China hat der Tee eine jahrtausendealte Tradition, sowohl als Heil- und Genussmittel als auch als Gewächs. Das Wissen der Chinesen um den Tee zählt zu den am längsten gewahrten Geheimnissen der Kulturgeschichte. Das sehr zum Missfallen der Engländer. Die Folge waren zahlreiche, schreckliche Kriege. Alles nur wegen des Tees.
Ziegeltee – der Urahn des Matcha
In Russland, Persien und der Türkei wird seit 1400 Jahren, also seit der Tang-Dynastie Tee getrunken. Er kam als Ziegeltee am Landweg aus dem chinesischen Zentralraum. Das hochchinesische Teewort cha findet sich im heute gebräuchlichen chai wieder. Der Ziegeltee – aus pulverisierten Grünteeblättern mit Reiswasser gepresst – eignete sich ideal für den monatelangen Karawanentransport auf Pferden. Die Tradition des Ziegeltees überdauerte in Tibet bis heute, wo daraus der Buttertee gekocht wird.
Tee in königlichem „Orange“
Der europäische Teekonsum begann mit der Kolonialzeit der Holländer, also um 1500 bzw. während der Ming-Dynastie. Der Tee in Blättchen erreichte Europa am Seeweg aus dem südchinesischen Raum. Weil das Getränk im dortigen Dialekt als te bezeichnet wurde, setzte sich hier die Bezeichnung Tee durch. Was auch von damals blieb, ist die Bezeichnung „orange“ für hervorragende „königliche“ Qualität. Orange Pekoe gibt also beispielsweise keinen Hinweis auf die Farbe, sondern ist eine sprachliche Reminiszenz an die Oranies.
Einseitiger Handel für sagenhaften Reichtum
Aller Tee kam damals aus China, das sein Geheimnis um den Tee strengstens hütete. Das sollte sich auch für die Kolonialmacht England ab 1869 nicht ändern. China war hermetisch abgeriegelt, der Teehandel ging ausschließlich über den Hafen von Kanton, wo die Händler nur den 700 Mal 35 Meter großen Kai außerhalb der mächtigen Stadtmauer betreten durften. Niemand außerhalb Chinas hatte bis dahin einen Teestrauch jemals gesehen oder wusste um die Arbeitsschritte bei der Aufbereitung. Das geheime Wissen und das Teemonopol bescherten China sagenhaften Reichtum, führten aber schlussendlich auch zum Niedergang des Kaiserreichs. Aber auch zu einer Reihe anderer, besonders düsterer Kapitel der Kolonialgeschichte. Ohne die Streitigkeiten um den Tee würde die politische Machtverteilung heute anders aussehen.
Der Tee als früher Import- und Exportschlager
Ab 1689 waren in Indien die Briten bzw. deren East India Company (BEC) an der Macht. Innerhalb von 200 Jahren sollte sich die staatlich lizensierte Kaufleutevereinigung zu einer Art Welthandelskonzern entwickeln. So stiegen zwischen 1700 und 1800 die Teeimporte der Briten aus China von 50 Tonnen auf 15.000 Tonnen. Die Briten belieferten damit den europäischen Kontinent, vor allem Italien und Deutschland. Aber auch die britischen Kolonien in Amerika konsumierten enorme Teemengen.
Die unlustige Teeparty in Boston
Als die britische Krone den Teekonsum mit einer neuen Teesteuer nochmals verteuerte, eskalierte der schon länger schwelende Steuerstreit zwischen den amerikanisch-britischen Kolonisten und dem Mutterland in den „Tea-Parties“. 1773 enterten als Indianer verkleidete Bostoner drei Schiffe der BEC und warfen die gesamte Teelandung ins Hafenbecken. Der Teesteuerstreit entlud sich in der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung, der Unabhängigkeitserklärung (1776) und dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783). Die beleidigten Amerikaner begannen daraufhin Kaffee zu trinken. Der Streit um den Tee(preis) machte schlussendlich den Kaffee zum führenden agrarischen Welthandelsprodukt.
Wie der Tee die Engländer arm machte
Mit dem enorm gestiegenen Teehandelsvolumen verfiel Ende des 18. Jahrhunderts der Preis, die Margen der Briten sanken dramatisch. Die Chinesen nutzten ihr Monopol und ließen sich weiterhin in harten Silbertaels bezahlen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ging der BEC buchstäblich das Geld aus, sie konnte nicht mehr so viel Silber auftreiben, wie an Tee getrunken wurde. Sie verfiel auf einen perfiden Plan, der das chinesische Kaiserreich schlussendlich tatsächlich in die Knie zwang.
Gib den Chinesen Opium!
Sie ließ in Indien gezielt Opium anbauen, um es planmäßig nach China einzuschmuggeln. Die BEC organisierte geheim die Opiumsucht weiter Teile Chinas und kümmerte sich um die verbrecherische Versorgung. Für das Opium flossen nun wieder große Mengen Silber an die BEC. China versuchte alles, den Opiumhandel einzudämmen. Das gab wiederum den Briten die „Erlaubnis“ für militärisches Vorgehen. Den Kanonenangriffen hatte China mit seinen antiquierten Verteidigungsanlagen nichts entgegenzusetzen. So erzwangen die Briten die Öffnung Chinas.
Das Ende vom Kaiserreich – alles wegen des Tees
Der Erste Opiumkrieg führte zur Abtretung Hongkongs an das Vereinte Königsreich, aber auch zur Öffnung weiterer Häfen. Im Zweiten Opiumkrieg wurden Kanton und Peking erobert und China in den Status eines Koloniallandes gezwungen. Die asiatische Großmacht verfiel rapide und die damaligen Großmächte der Welt teilten sich den chinesischen Kuchen untereinander auf. Eines gab das andere, der letzte Kaiser musste 1912 abdanken. Schlussendlich wurde 1949 die Volksrepublik China ausgerufen.
Und auch beim Tee gilt: Es war der Gärtner!
Der Erste Opiumkrieg (1839-1842) erzwang zwar die Öffnung von fünf Vertragshäfen, die Geheimnisse um den Tee waren damit aber noch lange nicht gelüftet. Noch mussten die Briten allen chinesischen Tee aus dem Hafen von Kanton beziehen. Erst dem legendären Pflanzenjäger Robert Fortune gelang es 1850 die ersten Teepflanzen aus China nach Indien zu schmuggeln.
Der britische Gärtner wurde gezielt von der Royal Horticultural Society in China eingeschmuggelt. Als chinesischer Kaufmann verkleidet reiste er drei Jahre lang unter unvorstellbaren Bedingungen ins Innere Chinas. Als erster Europäer konnte er beobachten, dass Grüntee und schwarzer Tee vom selben Strauch stammen und diese nur anders aufbereitet werden. Es gelang ihm am Ende sagenhafte 20.000 Teebaumsetzlinge aus China nach Darjeeling zu schmuggeln und dazu gleich auch einige im Teeanbau erfahrene chinesische Helfer. Mit den neuen Pflanzen bauten die Engländer um 1850 in Assam mühsam die ersten Teeplantagen außerhalb Chinas auf. 1859 legte die Familie Banerjee am Makaibari-Teegut den Grundstein für die weltweit allererste Teefabrik. In den nächsten Jahrzehnten avancierte der bis dahin unbekannte Tee zum Nationalgetränk Indiens.
Als der Tee Ceylon rettete
Einen gewissen Anteil daran hatte auch der Beginn des Teeanbaus in Ceylon nach 1870. Das kam so: Die Briten ersetzten nach ihrer Machtübernahme den bis dahin vorherrschenden Anbau von Ceylon-Zimt durch Coffea-Robusta. Im Jahr 1869 befiel der Kaffeerost-Pilz die Monokulturen und vernichtet diese zur Gänze. Für die Beherrschung der Seewege zwischen dem neu eröffneten Suezkanal und dem Pazifik war den Briten ein wirtschaftlich und gesellschaftlich stabiles Ceylon aber ein besonderes Anliegen. Der Anbau von Kautschuk- und Chinarindenbäumen wurde zum Misserfolg. Die erfolgreiche Pflanzung von Teesträuchern im großen Stil brachte für die britischen Plantagenbesitzer die erhoffte Rettung.
Wie bei der Bevölkerungszahl: China vor Indien
Die unzähligen Kriege rund um den Tee sind hoffentlich Geschichte. Heute zählt Tee zu einem der führenden agrarischen Welthandelsprodukte. Laut FAO wurden 2013 etwa 5,4 Millionen Tonnen Tee getrunken. China führt mit 1,9 Millionen Tonnen Produktion vor Indien mit 1,2 Millionen Tonnen. Da Indien und China einen enormen Eigenbedarf haben, gilt Kenia mit 450.000 Tonnen als führendes Teeexportland. Die zehn größten Teeproduzenten decken mehr als 90 % des Weltbedarfs. Interessanterweise hat das Teeheimatland China mit seiner Jahrtausende alten Teekultur bis heute keine weltweit bekannte Teemarke aufbauen können. Dieses Privileg bleibt den Engländern, die mit Lipton (heute Unilever) und Twinings (heute Associated British Foods) die zwei weltweiten bekanntesten Teemarken führen. Beide Marken sind mehr über deren verkaufte Mengen als für herausragend gute Teequalität berühmt.
Heute wird nur noch mit Worten um den Tee gefochten
Wenn heute noch Kriege um den Tee geführt werden, dann in Wortgefechten mit einer feinen Porzellantasse in der Hand um wichtige Dinge wie um die Ernteperiode und der Qualität der Blätter. Ist nun der Tee der ersten Pflückung der jungen, kleinen Blätter des Jahres (First Flush) oder jener der ersten Sommerernte nach der Ruhezeit der Teesträucher (Second Flush) die bessere Wahl. Oder auch, ob nun der Grüntee gesünder als der Oolong oder der schwarze Tee ist. Unzweifelhaft bleibt, dass der Teestaub im Sackerl jeden Teeliebhaber beleidigt und nur die Orange Pekoes, also die „königlichen“ Blatttees wirklich glücklich machen.
Hauptsächlich verwendete Literatur: Seidel, W. (2012): Die Weltgeschichte der Pflanzen, E-Book-Ausgabe Bastei Entertainment.
Beitrag von
- Mein Herz schlägt beruflich seit 25 Jahren für eine ökologisch-tiergerechte Landwirtschaft. Die Zukunft der Landwirtschaft kann nur so aussehen! Ich sehe es als meine Berufung, ProduzentInnen und KonsumentInnen zusammen zu bringen.
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