Anil Bansal ist ein echter Gentleman: Freundlich, aber bestimmt, höflich und zuvorkommend, bescheiden und dabei sehr kompetent. Und das, obwohl – oder weil? – er als einer der beiden Besitzer der Ambootia Tea Group Herr über 2800 ha biologisch-dynamischer Teegärten und 5000 ha Wald in Darjeeling ist. Sein Bruder Sanjay und er sind damit die größten biologisch-dynamischen Teeproduzenten der Welt. Nach unserem Besuch in Makaibari trafen wir diesen Sir des Bio-Tees im „Stammbetrieb“ Ambootia Tea Estate nahe Kurseong in Darjeeling.
Biodynamisch als Ausweg aus der Krise
Von den Briten zwischen 1859 und 1864 als einer der ersten Teegüter gegründet, ging die Ambootia Tea Estate nach der Unabhängigkeit in private Hände über. Mister Bansals Onkel führte das Teegut dann ab 1968 als Betriebsleiter. Mit seinem Ausscheiden 1986 ging es bergab. So weit, dass die damaligen Besitzer die Teeproduktion aufgaben und daher die Arbeiterinnen in den Dörfern ohne Einkommen waren. Sie erinnerten sich an den früheren Betriebsleiter und baten ihn, die Teegärten zu übernehmen. Nach längeren Verhandlungen mit den Banken übernahm Anils Onkel das Teegut und stellte es auf biodynamische Bewirtschaftung um. 1992 waren die Flächen Bio-zertifiziert, zwei Jahre später kam die Fairtrade-Anerkennung dazu. Onkel Bansal und seine Neffen spezialisierten sich daraufhin auf aufgelassene Tea Estates und erweckten bis heute 14 Teegüter in Darjeeling und drei in Assam wieder zum Leben. Alle wurden auf biodynamisch umgestellt oder sind gerade dabei.
Fünf Kompostplätze und fast tausend Kühe
Gleich beim ersten Betreten der Ambootia-Gärten fiel uns diese Bewirtschaftung auf: Neben bunten Lilien, viel Unterwuchs und feinster Erde entdeckten wir einen Marienkäfer – wie im Ambootia-Logo. Kein Wunder: Hier werden wirklich keine Mühen gescheut, um die Fruchtbarkeit der Böden zu erhöhen!
Anil Bansal erwähnte wie nebenbei: „Zusätzlich zu regelmäßigem Mulchen verteilen die Arbeiterinnen etwa zwei Tonnen Kompost je Hektar und Jahr. Wir haben fünf Kompostplätze angelegt, auf denen wir Wurmkompost erzeugen.“ Die biodynamischen Kompostpräparate stellen speziell geschulte Arbeiterinnen aus regional angebauten Kräutern sowie Hörnern der heimischen Kühe selbst her. „Nur die Hirschblasen müssen wir importieren. Jagen in Darjeeling ist ja streng verboten!“, erklärte Anil Bansal.
Woraus wird der viele Kompost hergestellt? „Wir kaufen jeder Arbeiterfamilie eine Kuh. Sie kann nun deren Milch entweder für die Kinder verwenden oder auch verkaufen“, bemerkt Herr Bansal. Nur den Mist müssen sie an Ambootia abliefern, da er den Wurmkompost erst so richtig wertvoll macht. Eine andere Art der Unterstützung erzählte Anil Bansal fast schon nebenbei: „Wir verteilen Orangen- und Zitronenbäume oder Bienenvölker in den Dörfern und lassen sie bio-zertifizieren. Die Arbeiterinnen können die Ernte damit Bio verkaufen.“
Ein Modell für ganz Indien
Alle diese Maßnahmen – Kompostierung, Bodenaufbau, Pflege der Teegärten und Unterstützung der Arbeiterinnen – haben dazu geführt, dass die Ambootia Tea Estate von der FAO als Modellbetrieb ausgewählt wurde. Freundlich wies Anil Bansal darauf hin, dass das in ganz Indien nur noch zwei weitere Betriebe geschafft haben.
Er führte uns ebenso bescheiden durch die beeindruckende Fabrik. Nach einem verheerenden Brand 2014 musste sie komplett neu aufgebaut werden. Dabei halfen nicht nur der langjährige deutsche Abnehmer Ulrich Walter mit seinem Lebensbaum, sondern auch alle Arbeiterinnen der Tea Estate. Jede einzelne von ihnen wurde als Dank dafür auf einer riesigen Tafel am Eingang verewigt: Dort stehen mehr als 900 Namen!
Richtige Balance zwischen Farbe und Geschmack
Beim Gang durch die lichtdurchflutete, extrem saubere Fabrik begleiteten uns zusätzlich zu Anil Bansal noch Tarun Kak Raina, Senior Manager, und Kaushik Das, General Manager der Ambootia Group. Die beiden Herren aus Kolkatta waren ebenso zuvorkommend, freundlich und offen wie ihr Chef. Alle drei zusammen erklärten uns geduldig die Schritte zum besten Verhältnis zwischen Thiorubin und Thioflavin – also zwischen Farbe und Geschmack: Je heller die Farbe, desto feiner der Geschmack.
Um diese Balance zu erreichen, werden die Blätter nach dem Trocknen – 65 % Wasser gehen dabei verloren – in speziellen Maschinen gerollt. Dadurch reißen die Zellen auf und der Pflanzensaft tritt aus. Die nun wieder feuchten Blätter bleiben einige Zeit an der Luft ausgebreitet liegen und der Saft oxidiert. Es wandelt sich das Thioflavin in Thiorubin um und damit entsteht der typische Schwarztee-Geschmack. Im richtigen Moment – Achtung: Firmengeheimnis! – wird dieser Prozess gestoppt, indem die Blätter getrocknet werden.
Zum Abschluss wird nach Größe sortiert: Ganze Blätter schmecken am feinsten und sind damit am wertvollsten. Weitere zwei Größen sind geringere Qualität und die kleinste, staubartige Fraktion landet in Teebeuteln. Die Kundinnen finden sich vor allem in Europa. In bekannten Marken wie Alnatura, Lebensbaum, Twinings Tea oder Ronnefeldt ist womöglich bester bioynamischer Ambootia-Tee.
Verkostungszimmer mit Aussicht
Von den 35 Grün-, Oolong- und Schwarztee- und Spezialsorten durften wir zum Abschluss einige verkosten. Der Blick dabei auf die Gärten, der wunderbare Geschmack des bio-dynamischen Tees und die angenehme Begleitung der drei Herren wird uns in Erinnerung bleiben! Vielen Dank auf diesem Weg auch der Familie Bansal für das abschließende, herrliche, typisch indische Mittagessen in der altehrwürdig britischen Villa des Teeguts!
Am nächsten Tag reisten wir mit der Darjeeling Himalayan Railway hinauf zum Happy Valley Tea Estate. Dieses Teegut gehört ebenso zur Ambootia Group wie etwa Moonda kotee oder Sivitar Tea Estate. Es liegt zwischen 1000 und 2000 m Seehöhe und ist damit das am höchsten gelegene Tea Estate der Gruppe.
Weil es mitten im Touristenort Darjeeling liegt, kommen enorm viele Touristinnen zu Besuch: Im Durchschnitt besichtigen etwa 60000 Interessierte jedes Jahr die Happy Valley Fabrik. Neben den Eintrittsgeldern erwirtschaftet ein hübscher Laden mit frisch verarbeitetem Tee ein Zusatzeinkommen für die Teefarm.
Nur Biotee hat Zukunft
Happy Valley wird seit 2007 biodynamisch bewirtschaftet und beschäftigt auf etwa 150 Hektar über 300 Personen. Der Betriebsleiter N.P. Singh hieß uns mit einer Kanne Darjeeling-Tee (was sonst?) und regionalem Kuchen willkommen und erklärte, warum er seit zwei Monaten für die Ambootia Tea Group arbeitet: „Ich habe viele Jahre in konventionellen Teegärten in Assam, Mosambique und Äthiopien gearbeitet. Nun bin ich froh, hier zu sein. Denn ich bin fest davon überzeugt: Dem Biolandbau gehört die Zukunft!“
Der langjährige Fieldmanager Dipesh Chamling führte uns dann durch die Gärten. Ob es mit der biodynamischen Bewirtschaftung Probleme gibt? „Im Grunde genommen nicht. Manche saugende Insekten sind problematisch, deshalb haben wir 20-30 % weniger Ertrag als konventionelle Gärten. Und wie wir die Rote Spinne in Schach halten können, wissen wir noch nicht so genau. Wir verwenden Kräuterbrühe, aber die Wirkung ist bescheiden. Wir könnten fachliche Unterstützung und Forschung dazu gebrauchen.“
Die gibt es derzeit (noch) nicht. Aber wer weiß, womöglich führt unser Besuch zu einem neuen internationalen Austausch? In Sikkim werden wir ein Rezept kennenlernen, das hier gegen Insekten eingesetzt wird. Und es auf unsere bescheidene Art einfach weitergeben. So wie uns der bescheidene Anil Bansal sein Wissen über bio-dynamischen Teeanbau weitergegeben hat. Es war mir eine Ehre, ihn kennengelernt zu haben!
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- Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!
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