Waldgarten Gruber

5000 m2 Waldgarten für jeden!

Organic

Während unserer Reise haben wir oft gesehen, wie Bäume mit Landbewirtschaftung kombiniert werden – hierzulande nennt man das „Waldgarten”: Baumgruppen an Steilhängen von Teeplantagen, Bananen als Mauerstützen zwischen Gemüseterrassen oder eine Art von Teebaum als Rankhilfe für Pfefferpflanzen. Und wir haben Menschen gesehen, die Blätter als Rinderfutter oder auch als Butterpapier nutzten. Der Teebaron Mister Banerjee meinte, dass uns die Bäume vor der Erderhitzung retten könnten: Wenn nur jeder Mensch einmal im Jahr einen einzigen Baum pflanzte, hätte die Erde in 10 Jahren wieder ausreichend viele, um unser überschüssiges CO2 einzuatmen. Klingt einfach, nicht wahr?

Ein Bauer in Rongbul/Sikkim holt Blätter als Viehfutter aus dem Wald. Foto: Reinhard Gessl/organic17

Bäume schützen Klima

Seither frage ich mich: Wie können – wieder – mehr Bäume in die (Bio-)Landwirtschaft integriert werden? Die „Agroforst”-Methode hat ja enorme Vorteile bei Klimaschutz und Ernährungssuveränität: Der Schweizer Ernst Götsch machte damit hunderte von Hektaren in Brasilien wieder fruchtbar. Also rief ich im Herbst meinen lieben Ex-Kollegen und Maulbeer-Experten Roland an, der mir vor mehreren Jahren von Waldlandwirtschaft erzählt hatte und selbst einen Waldgarten nutzt.

Ich wollte mehr über verschiedene Formen des Agroforestry wissen. Er verwies mich an Bernhard Gruber in Wels: „Bernhard hat den ältesten Waldgarten Österreichs übernommen. Dieser Garten ist vor mehr als 25 Jahren angepflanzt worden!” Bernhard Gruber ist außerdem Buchautor, Vortragender und Präsident des Waldgarteninstituts und in Österreich, Tansania und Kenia unterwegs.

Waldgarten Kompost Kompostwurm Kompostkiste

Bernhard Gruber zeigt uns seine Kompostwurm-Kiste: Damit es den Helferleins nicht zu kalt wir, bedeckt er sie mit Papiersäcken. Die werden dann auch zu Kompost. Foto: Reinhard Gessl/organic17

Zurück zur Tradition

Die Kombination von Forst- mit Landwirtschaft ist in Österreich nicht neu. Die Verbindungsmöglichkeiten von Wald und Landbau reichen von hohen Bäumen im Acker über beweidete Streuobstwiesen bis zu Waldgärten. Traditionell wurden bei uns im Alpenraum Triebe und Blätter von sogenannten Schneitelbäumen geschnitten und als Viehfutter oder Einstreu verwendet. Dass immer nur eine einzige Nutzpflanze das ganze Jahr über die gesamte Fläche in Anspruch nimmt – zum Beispiel das riesige Weizenfeld – ist weltweit und historisch gesehen eigentlich eine „neumodische” Ausnahme.

Sikkim Waldlandwirtschaft

Diese junge Bäuerin in Sikkim (Indien) schneidet Bananenblätter klein, um damit ihre Kühe zu füttern. Foto: Reinhard Gessl/organic17

Traditionell haben wir Menschen neben Kartoffeln oder Getreide immer auch Laub, Holz, Früchte, Bienenweiden und vieles mehr benötigt. Deswegen waren auch bei uns in Österreich Wildobsthecken, Streuobstwiesen oder Waldweide weit verbreitet. In Subsistenzwirtschaften ist das auch heute noch so. Und aus Gründen des Klima- und Bodenschutzes sollten eigentlich auch unsere mitteleuropäischen Monokulturen wieder in Agroforst-Systeme umgebaut werden, wie eine Initiative in Deutschland fordert.

Ganzjährig ernten in mehreren Etagen

Aber ich schweife ab. Wir besuchten also Bernhard Gruber und den ältesten Waldgarten Österreichs. Der mittlerweile in dritter Generation in Form von Permakultur bewirtschaftet wird. Leider waren wir dann Anfang Dezember schon in der vegetationsfreien Zeit und die Bäume ohne Blätter. „Da kann man die Struktur eines Waldgartens besser erkennen”, tröstete uns Roland.

Waldgarten Mulch Laubmulch

Das gesamte organische Material bleibt im Garten: Laub dient beispielsweise als Mulchmaterial. Foto: Reinhard Gessl/organic17

Diese Struktur ist einfach und kompliziert zugleich: Ein Waldgarten ist in mehreren Etagen aufgebaut. Ziel dabei ist es, nach dem Pflanzen der ausschließlich mehrjährigen Stauden, Sträucher und Bäumen nur noch zu ernten. Die enorme Vielzahl an Pflanzen, die in unserem Klimaraum gedeihen, bringen dann das ganze Jahr über Früchte wie Kirschen, Marillen, Äpfel, Birnen, Kriecherln, Quitten, Mispeln, Dirndln, Weintrauben, Erd-, Heidel-, Holler- oder Himbeeren, Winterheckenzwiebeln, Nüsse, Pilze, Mangold, Spargel, undundund. Dazu kommen „Fremde” wie Maibeeren, Erdbeer-Himbeeren, Naschibirnen, Sechuanpfeffer, Feigen, Artemisia, Bambus, Ingwer, Bitterorangen und noch viel mehr aus Ost und West und manchmal auch aus Süd.

Waldgarten Hühnerauslauf Permakultur organic17

Der Komposthaufen im Waldgarten: Hühner helfen beim raschen Abbau des organischen Materials. Foto: Reinhard Gessl/organic17

Alles retour für neuen Boden

Als wichtige Maßnahme zu Nährstoffversorgung und Bodenaufbau wird das gesamte organische Material wieder zurück in den Betriebskreislauf gebracht. So ist der Hühnerauslauf zugleich Kompostplatz, auf dem eine Handvoll Hühner mithelfen, aus Grünschnitt, Moos oder Pflanzenresten hochwertige Erde zu machen. Bernhard zeigte mir den Häcksler: „Das ist der Lieblingsplatz meines Vaters!” Herr Gruber senior füllte dort 2017 ganze 252 Scheibtruhen voll mit gehäckselten Ästen! Kaputte Dachbalken kommen in Hügelbeete und selbst menschliche Reste werden wiederverwendet: Bernhard erledigt täglich sein großes Geschäft in der „Gartentoilette”…

Waldgarten organic17

Das Brett beweist es: Im Jahr 2017 hatte Herr Gruber 252 Scheibtruhen mit Häckselgut gefüllt. Foto: Reinhard Gessl/organic17

Trotzdem bleibt im Waldgarten Platz für Igel, Wildbienen oder Laufkäfer: Steinhaufen, Trockenbiotop oder „wilde Ecken” dienen einer Unzahl an Nützlingen als Unterschlupf und Nahrung. Diese Helferleins verringern dann die eigene Arbeit.

Waldgarten Gruber

Auch Nützlinge finden Platz in Steinhaufen und „wilden Ecken“. Und sparen uns dann Arbeit! Foto: Reinhard Gessl/organic17

Biodiversität mit vier Stunden je Woche

Apropos: Arbeit macht der Waldgarten letztendlich kaum. Denn wenn alle Pflanzen einmal angewachsen sind, wird nur noch geerntet. Rasenmähen ist nicht notwendig, denn es gibt keine Flächen, auf denen Gras wachsen könnte. Jeder Quadratzentimeter ist ja mit Kräutern oder Sträuchern bewachsen. Die schmalen Pfade zwischen den streifig angelegten Etagen werden – zum Beispiel mit Nussschalen, Laub oder Asthäcksel – gemulcht.

Bernhard schätzt, dass ein Waldgarten mit 5000 m2 in einer ganzen Woche nur einen halben Tag Arbeit bedeutet. „Jede Landwirtschaft sollte ihre Streuobstwiese in einen Waldgarten umbauen! Das würde die Biodiversität enorm steigern. Und: Die Bauernfamilien wären wieder unabhängiger”, ist Bernhard überzeugt.

Waldgarten Häcksler Mulchen Der Häcksler ist der Lieblingsplatz von Herrn Gruber senior. Hier macht er alle Äste klein. Foto: Reinhard Gessl/organic17.org

Er selbst besitzt „nur” drei Hektar Grund, der Gruber’sche Waldgarten im Welser Außenbezirk ist 4000 m2 klein. Trotzdem leben er uns seine Familie davon, wenn auch als Erwerbskombination mit Seminaren, Veranstaltungen und Vorträgen. Was er am Betrieb weiterentwickeln will? „Zuerst bauen wir hier aus den Resten unseres historischen Hauses ein ökologisches Strohhaus. Und dann will ich eine Kombination probieren aus Getreide und Baumreihen.”

Pflanzen wir Bäume!

Diese Agroforst-Systeme werden in Zukunft womöglich die einzig gangbaren Landbewirtschaftungen sein, weil sie zur Klimastabilisierung und Welternährung notwendig sein werden. Denn die heute übliche, industrialisierte Landwirtschaft verbraucht mit ihrem Maschinenaufwand, Kunstdünger und Chemikalien mehr Energie als sie in Form von Pflanzen erntet. Monokulturen wie wir sie mittlerweile gewöhnt sind, werden also wieder verschwinden (müssen). Denn: Wir brauchen Bäume! Pflanzen wir sie!

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Beitrag von

Sonja Wlcek
Sonja Wlcek
Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!