Faszinierend schöne Wüste – wenn man nicht dort leben muss

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Es gibt viele gute Gründe, nach Ägypten zu kommen. Wir kamen in unseren Forschungs-Sabbatical vor allem, um die uns fremde Wüste zu verstehen. Und um uns anzuschauen, wie die lokalen Bauern in einer der regenärmsten Gegenden der Welt Landwirtschaft betreiben. Auf unseren Ausflügen in die unterschiedlichen Wüstenabschnitte begeisterten uns dann aber die Schönheiten dieses Extremlebensraumes dermaßen, dass es zuerst einmal grundsätzliche Fragen zu beantworten galt.

Unsere Kairoer Freunde schüttelten über unser Vorhaben nur mitleidig den Kopf. Keiner von ihnen war jemals in einer der westlich vom Nil in der Libyschen Wüste gelegenen Oasen gewesen. Warum auch? In der ganzen Region gibt es nicht eine Einkaufsmall! Vielmehr gilt ihnen die Gegend als gefährlich, lebensfeindlich, öd, leer, monoton, bedrohlich oder einfach als armselig und fad. Wir formulierten unser Bild der Wüsten ganz anders, nämlich als faszinierend, unendlich weit, hörbar still, herausfordernd, berauschend oder auch als bizarr.
Wüste Fragen

Schon nach dem ersten kurzen Ausflug in die Schwarze Wüste stellten sich mir abseits vom Interesse an der Bewirtschaftung von reinem Sand viele ganz grundsätzliche Fragen. Wie ist Wüste überhaupt definiert? Welche Arten von Wüsten gibt es? Wie entstanden diese? Warum schauen die Areale so unterschiedlich aus? Die Recherche ergab zusammengefasst Folgendes:

Zu warm, zu kalt, zu trocken, zu karg …

50 Millionen Quadratkilometer bzw. über ein Drittel der Kontinentalfläche unseres Planeten sind (Halb-)Wüsten. Wüsten sind somit global betrachtet die größte Naturraumeinheit. Zur Entstehung von Wüsten gibt es zwei grundsätzliche Erklärungen: Trockenheit oder Wärmemangel – neuerdings kommt als dritte Möglichkeit die vom Menschen verursachte Desertifikation dazu.

In Ägyptens östlicher Sahara haben wir es mit Wassermangel zu tun. Einer Jahresniederschlagsmenge von 0-20 mm steht eine potenzielle Verdunstung von 3500 mm und mehr gegenüber. Da die Anzahl der Tage, die zur Verdunstung des Regens nötig sind, weniger als drei Tage beträgt, spricht man von einer Voll- bzw. Extremwüste. Dementsprechend karg bis nicht vorhanden ist die Vegetation – das ist ein weiteres Kennzeichen jeder Wüste.

Sahara – eine Wüste der Extreme

Die Sahara ist eine Extremwüste, in jeder Hinsicht: Mit 8-12 Mio km2 Ausdehnung (6000 km West-Ost und 2000 km Nord-Süd) führt sie die weltweite Wüstenstatistik überlegen an. Sie ist damit flächenmäßig größer als ganz Europa! Die Jahresmitteltemperatur liegt bei beeindruckenden 20-25 °C. Entgegen der landläufigen Meinung ist die Sahara keine überwiegende Sandwüste, denn nur 20-25 % der Fläche bestehen aus Sand und auf gar nur 10 % finden sich die klischeehaften Sanddünen.

Pharaonen herrschten teilweise noch über eine grüne Sahara

Die Verwüstung begann erst vor etwa 4000 Jahren mit einem raschen Austrocknungsprozess. Aus der damals Grünen Sahara wurde eine Extremwüste. Das passierte in etwa so: Damals drehte sich die Erde um eine geringfügig stärker geneigte Erdachse. Damit bekam die Nordhalbkugel mehr Sonne ab. Dadurch bildeten sich heftige Sommermonsune. Diese wiederum ließen üppige Vegetationsdecken wachsen, die mit ihrer enormen Verdunstung Auswirkungen auf die Erdatmosphäre hatten: Es bildeten sich mehr Wolken. Die Sonneneinstrahlung ging zurück und das Rad drehte sich wieder zurück. Zudem richtete sich die Erdachse weiter auf. Der Prozess der Aridisierung begann und dauert bis heute an.

Die Sahara hat sehr viele, sehr unterschiedliche Gesichter

Der überwiegende Teil der Libyschen Wüste liegt flach und unendlich weit da. Unterscheiden tun sich die Farben und Oberflächenformen, je nachdem, welches Gestein vorherrscht. Zu bestaunen gibt es sehr viel Schotter- und Steinwüsten, aber auch solche aus Sand.

Die Schwarze Wüste

Die Oberfläche der Schwarzen Wüste nahe der Oase Baharaya wird von den Basaltgesteinen vulkanischen Ursprungs geprägt. Die rege vulkanische Tätigkeit im Tertiär (vor 23,8-2,3 Mio Jahren) war die Folge reger tektonischer Hebungen. Einzelne Vulkankegel ragen als tiefschwarze Monumente aus dem ansonsten durch Winderosion bretteben gebügelten Wüstenboden. Unzählige schwarze Steine unterschiedlichster Korngröße machen den schwarzen Eindruck komplett.

Fotos aus der Schwarzen Wüste finden sich am Schluss des Beitrags.

Die Weiße Wüste

Die typischen Pilzfiguren der Weißen Wüste zwischen den Oasen Baharaya und Farafra entstehen aus dem Zusammenspiel von Wind und Sand. Auf der einen Seite weht der kräftige Wind ständig Feinmaterial ab (Deflation). Der mitgenommene Sand prallt wiederum auf die im Weg stehenden, fast weißen Kalksteine auf und schleift diese ab (Korrasion). Da die Windgeschwindigkeit etwa einen Dezimeter über dem Boden am höchsten ist, werden Steine gerne zu pilzähnlichen Figuren modelliert. Der Vielfalt der Formen scheint keine Grenze gesetzt zu sein.

Fotos aus der Weißen Wüste finden sich am Schluss des Beitrags

Neben dem Sandmeer – ein Schiff wird kommen

Entlang der westlichen Oasen ziehen sich die gefürchteten aber so schönen Sanddünen. Dieser Erg (Ghurd Abu Muharrik) ist als schmales Band von 500 km Länge und meist nur wenigen Kilometern Breite nicht Teil des großen Sandmeers. Der gesamte Sandstreifen wird vom stets blasenden Passatwind („Ostjet“) pro Jahr etwa neun Meter Richtung Südsüdosten versetzt.
Wandern tun dabei allerdings immer nur die einzelnen, wenige Dekameter hohen Sicheldünen (Barchans). Dem flach (8-13°) ansteigenden und dem Wind zugeneigten Luv eilen die schlank auslaufenden Hörner voraus, während das windabgewandte Lee mit 30° Neigung steil abfällt. Diese Gesetzmäßigkeiten finden sich auch auf den kleinen, sich ständig verändernden Windrippeln, die die typischen Bodenmuster prägen.

Die langgestreckten Dünenformen werden je nach Position zur Windrichtung als Quer- oder Längsdünen bezeichnet. Diese wandern nicht. Apropos: die umweltfreundlichste und beschaulichste Art die Wüste zu durchwandern ist auf dem Rücken eines Kamels. Diese als „Wüstenschiffe“ bezeichneten Paarhufer schaukeln erst seit etwa 2000 Jahren durch Ägypten. Sie sind in jeder Hinsicht die am besten auf diese Extrembedingungen angepassten Nutztiere.

Fotos aus der Sandwürste Ägyptens finden sich am Schluss des Beitrags.

Die Wüste ist schön?

Erlebt man die Wüste als bloßer Betrachter, dann muss man sagen: Die Wüste ist schön! Und still! Die laufenden Kontrollen durch Militär und Polizei machen aber auch in den westlichen Oasen Ägyptens sehr bewusst, dass auch die Sahara schrecklich umkämpftes Gebiet ist: Westsahara, Algerien, Syrien, Libyen, Sudan, Tschad – hier ist es aus mit Schönheit und Stille! Wenig schön schaut auch die Landbewirtschaftung in den gesehenen Wüstenteilen aus. Das ist aber eine ganz andere Geschichte, die noch erzählt werden muss.

Die Fakten dieses Beitrags stammen überwiegend aus „Wüsten – Entstehung, Kennzeichen, Lebensraum“ von W.-D. Blümel, Eugen Ulmer Verlag, 2013. Das spannend zu lesende Fachbuch habe ich mir über die Virtuelle Bücherei der Wiener Bücherei elektronisch ausgeborgt.

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Beitrag von

Reinhard Geßl
Reinhard Geßl
Mein Herz schlägt beruflich seit 25 Jahren für eine ökologisch-tiergerechte Landwirtschaft. Die Zukunft der Landwirtschaft kann nur so aussehen! Ich sehe es als meine Berufung, ProduzentInnen und KonsumentInnen zusammen zu bringen.