Anfang dieser Woche besuchten wir das Nubische Museum in Assuan/Aswan. Laut Reiseführer das schönste Museum Ägyptens. Wir wollten dort etwas über die Nubier erfahren, dieses „Black/White“-Volk im Süden.
Doch nach mehr als zwei Stunden im von der UNESCO (mit-)finanzierten Museum blieb ein bitterer Geschmack zurück. Wir hatten zwar viele Tontöpfe, Halsketten, Hieroglyphen, Statuen, Schautafeln usw. gesehen, über die Besonderheiten des Nubischen Volks wussten wir aber noch immer nichts.Also begab ich mich im Internet auf die Suche nach Nubien. Was ich auf Wikipedia fand: Nubier sind jenes Volk, das seit etwa 6000 Jahren entlang des Nils südlich des ersten Nilkatarakts – also bei Assuan – lebt. Die Südgrenze wurde von der UNESCO mit dem 18. Breitengrad beim fünften Nilkatarakt definiert, ist aber offenbar etwas schwierig zu ziehen. Denn seit Pharaonen-Zeiten bis heute gilt Nubien als Schnittstelle zwischen Ägypten und Schwarzafrika.
Tempel gerettet, Menschen vertrieben
Was wir im Museum lernten: Der Entschluss des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser in den 1950iger-Jahren, den seit 1898 bestehenden und immer wieder erweiterten alten Staudamm oberhalb von Assuan um einen gigantisch großen zweiten zu ergänzen, führte in der Weltöffentlichkeit zu großer Sorge um Tempelanlagen oder anderer Zeugnisse vergangener Jahrtausende. Also wurden weltweite Rettungsaktion durchgeführt: Abu Simbel und der Philae-Tempel wurden zersägt und an höher gelegenen Orten wieder zusammengesetzt. Andere Tempel wurden im Ausland wieder neu aufgebaut, z.B. in Madrid oder Turin. Die Kosten dieser Forschungs- und Rettungsaktionen konnte ich im Museum nicht finden.
Was mit jenen zu Beginn des Dammbaus 1960 etwa 50.000 im Niltal auf sudanesischer und 70.000 auf ägyptischer Seite lebenden Nubiern passierte und wo und wie sie heute leben, wurde ebenso wenig erzählt. Erst im Internet stieß ich auf Namen wie New Wadi Halfa oder Kom Olfo, wohin viele unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gebracht wurden. Einige Nubier weigerten sich, ihr Tal zu verlassen, woraufhin ihnen der Strom abgeschaltet und alle staatlichen Einrichtungen geschlossen wurden. Bis heute wird den ägyptischen Nubiern die Rückkehr an das Ufer das Nasser Sees systematisch verweigert.Nordsudan setzt Nubier unter Wasser
Mein Interesse war geweckt. Dieses Volk spricht nicht nur eigene Sprachen oder Dialekte, sondern hat auch vorislamische kulturelle Traditionen erhalten. Mittlerweile hat aber der Druck sowohl in Ägypten als auch im Sudan dazu geführt, dass sich die arabische Sprache verbreitet. In keinem der beiden Länder ist Nubisch eine anerkannte Amtssprache. Im Gegenteil, die Verwendung wurde im arabischen Militärstaat Nordsudan im Mai 2006 sogar ausdrücklich verboten.
Der Bau des Merowe-Staudamms im Nordsudan zeigte den Nubiern ein weiteres Mal, wie mit Menschen in betroffenen Gebieten umgegangen wird: Das Siedlungsgebiet jener drei arabischen Stämme – diesmal keine Nubier – wurde trotz teils massivem Widerstands unter Wasser gesetzt und etwa 50.000 Menschen vertrieben bzw. in Wüstendörfer umgesiedelt, wo sie verarmten. Bei Protesten 2006 wurden mehrere Personen getötet. Die Folgen dieser Umsiedlungen sind bis heute geheim, die betroffenen Gebiete für Journalisten gesperrt.
Als 1998 geheim gehaltene Pläne für zwei weitere Nildämme (Dal- und Kajbar-Staudamm) bekannt wurden, die weiteren 100-150.000 Nubiern ihre Heimat kosten würde, kam es zu Protesten. Die Pläne sind seither nicht vom Tisch, im Gegenteil: Der Sudan unterzeichnete im November 2015 ein Vertrag mit Saudi Arabien für die Finanzierung dieser beiden Dämme. Seither werden alle Proteste massiv unterdrückt und Aktivisten inhaftiert.
Tragödie der Nubier uninteressant?
Was mich bei dieser Geschichte am meisten erstaunt? Dass ich von dieser Vertreibung eines ganzen Volkes bisher nichts gewusst habe. Dabei würde ich mich als besonders „ägyptenaufmerksame“ Zeitungsleserin bezeichnen. Der Untergang der Nubier scheint aber in der Kakophonie unserer Medienwelt nicht spannend genug zu sein.
Offenbar sind Tempel wichtiger als Menschen! Das hat uns das Nubische Museum, auch wenn es das Gegenteil erzählen wollte, sehr deutlich vor Augen geführt. Seufz.
Webtipps:
- Radio Dabanga Sudan
- International Rivers
- Artikel Sudan Tribune im Februar 2016
- Fachartikel „Das Ende Nubiens? Eine Grenzregion zwischen Umsiedlung und Arabisierung“ von Thomas Schmidinger
Beitrag von
- Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!
Aktuelle Beiträge
- Food12. September 2019Bio-Torten als Überraschung am Straßenrand
- Organic28. August 2019Mit dem Fahrrad durch Bio-Österreich – Teil 1: Von Niederösterreich nach Salzburg
- Travel21. August 2019Museum für Schweine in Stuttgart: Eine Sammlung mit Lücken
- Food16. Juli 2019Entspannendes Bio-Restaurant in Stuttgart