Die Fahrt mit dem Apfeltransporter

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Die gesamten acht Tage unserer Überschreitung des marokkanischen Mgoun-Massiv begleitete uns das schöne Wetter. Als unser Trek ein Ende hatte, waren Regen, Schnee und böiger Wind da. Zeit also für die Abfahrt zurück in die Zivilisation. Aber wie und wann? Ein Minibus oder Sammeltaxi ins etwa eineinhalb Stunden entfernte Kalaat M‘Gouna fuhr an diesem Tag keines, dafür aber am nächsten Tag, vielleicht.

Fahrt im Apfeltransporter02_Foto Gessl

Und plötzlich war das schlechte Wetter da. Der böige Wind trug nicht nur die Erde weg…

Ein marokkanisches Schauspiel

Wir wählten die afrikanische Variante: Position beziehen und schauen, was passiert. Wir saßen keine 30 Minuten, da näherte sich ein gelber Minibus, blieb aber in der Ferne stehen. Wenig später saß wie aus dem Nichts ein junger Berber neben uns. Wir plauderten. 10 Minuten später kam der Bus und hielt. Nein, nach Kalaat M‘Gouna fahre er sicher nicht, beteuerte der Fahrer. Der junge Berber wurde aktiv und verhandelte mit dem Fahrer. Kurz darauf stiegen die drei im Bus befindlichen Fahrgäste aus, packten ihr Zeugs und gingen zu Fuß des Weges.
Der Taxler stieg auch aus. Um 300 Dirhams (ca. EUR 30,-) könnte er uns ein Stück des Weges mitnehmen, von wo wir einen Minibus nehmen könnten, bot er an. Wir lehnten erbost ab und boten 50. Sein Angebot 200, unser letztes 100. Wir packten unsere Rucksäcke und gingen los. 130 hörten wir noch uns nachrufen. Nach etwa 500 m kam uns der Minibus nachgefahren, am Beifahrersitz saß der Berber. 130 Dirhams und wir wären schon am Berg, rief dieser aus dem Wagenfenster. Wir hielten dem Fahrer einen 100er hin. Da nahm er diesen und schon saßen wir auf den Strohsäcken der Ladefläche. Wenig später stiegen (wie zufällig) die drei auf den Weg geschickten Bauern wieder zu. Das Ganze war also ein inszeniertes Spiel des Fahrers und seines „Schaffners“. Nun denn, die 100 Dirhams waren ein gutes Geschäft für den Fahrer, aber für uns auch ok, zumal wir weiterkamen.

1200 kg Äpfel und wir

An einer Abzweigung im Nirgendwo wurden wir alle abgesetzt. Nach eineinhalb Stunden kam tatsächlich ein uralter Minibus die Passstraße hochgekrochen. Dieser war bis fast unters Dach mit Äpfeln für dem Markt befüllt. Nachdem die Schachteln kunstvoll umgeschlichtet waren, hatten wir fünf auch noch Platz. Und los ging die Fahrt im Apfeltransporter. Schwer beladen krochen wir auf rumpeliger Piste im ersten Gang auf den ersten Pass auf über 2800 m, dann ebenso langsam wieder ins Tal. Der nächste Pass lag über 3100 m hoch.
Die erwarteten eineinhalb Stunden waren schon längst um. Die Abfahrt schlängelte sich über unzählige Serpentinen staubig und kalt ins Tal. Weiter ging die Fahrt durch ein wasserführendes Flussbett und schlussendlich sehr spektakulär durch eine bizarre Schlucht. Irgendwann erreichten wir eine asphaltierte Straße und nach weiteren zwei Stunden war plötzlich doch Kalaat M‘Gouna da. Statt der erwarteten eineinhalb Stunden hatten wir für die Überfahrt fast acht Stunden gebraucht, fünf Stunden davon im Apfeltransporter.
Dem programmatischen „Langsam reisen“ unseres Sabbaticals kam diese Fahrt mit dem klapprigen Apfeltransporter schon sehr nahe.

Beitrag von

Reinhard Geßl
Reinhard Geßl
Mein Herz schlägt beruflich seit 25 Jahren für eine ökologisch-tiergerechte Landwirtschaft. Die Zukunft der Landwirtschaft kann nur so aussehen! Ich sehe es als meine Berufung, ProduzentInnen und KonsumentInnen zusammen zu bringen.