Der Fluss des Wassers

Organic, Travel

Während unseres Treks durch den Hohen Atlas wurde mir bewusst, wie stark das (Über-)Leben in diesem Land vom Wasser abhängt. Wir wurden freundlich bewirtet mit Kartoffeln, Karotten, Äpfeln und Walnüssen, die in diesen Bergtälern allerdings nur mit Hilfe archaischer Bewässerung gedeihen: Dazu wird ein Teil des Flusswassers in Rinnen aus Lehm abgeleitet. Diese Rinnen laufen oft über mehrere Kilometer an den Talrändern entlang. Über Querrinnen können dann einzelne Felder geflutet werden, indem die Lehmwände händisch geöffnet werden.

Berber leiten Wasser mit Kanaelen aus Lehm zu den Feldern.

Wasser als Grenze

Der hohe Arbeitsaufwand für diese Art der Bewässerung wird verständlich, wenn man weiß, dass Maispflanzen etwa 250 Liter oder Kartoffeln mehr als 350 Liter Wasser benötigen, um einen Kilogramm Trockenmasse zu bilden. Und dass es in Marokko durchschnittlich nur 346 Liter je m2 pro Jahr regnet. Noch dazu ist der Niederschlag hier sehr ungleich verteilt: Zwischen Mai und September regnet es fast gar nicht. Zum Vergleich: Der trockenste Ort Österreichs – Hohenau an der March im Weinviertel – bekommt pro Jahr 463 Liter Niederschlag.

Um mehr als nur Schafe oder Ziegen durch die Halbwüste zu treiben (was auf 69 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche praktiziert wird), ist Bewässerung in Marokko also unumgänglich. Von den 9,4 Mio. Hektar Ackerland und Dauerkulturen – Obst, Datteln oder Oliven – werden 1,52 Mio. Hektar oder 16 Prozent bewässert. Jene Überflutungsmethode, wie wir sie in den Atlastälern gesehen haben, wird allerdings nur auf vier Prozent dieser Flächen angewendet. Die FAO kennt noch „Oberflächenbewässerung“ (surface irrigation), Sprinkler- und „lokale“ Bewässerung als Systeme. Der Großteil des Wasserverbrauchs (80 %) stammt aus Oberflächenwasser, und immerhin 20 Prozent kommt aus dem Grundwasser.

Landwirtschaft hat den größten Durst

Von jenen 10580 Millionen m3 Wasser, die Marokko pro Jahr gebraucht, geht der Löwenanteil in die Landwirtschaft: 88 Prozent des Wassers wird hier verwendet. Das ist selbst im weltweiten Vergleich viel: Insgesamt werden „nur“ 70 Prozent des Wassers für die Landwirtschaft aufgewendet. Im mit Regen und Schnee gesegneten Österreich sind es nur fünf Prozent (siehe Tabelle unten).

Wasser rinnt entlang eines Flusstals im Hohen Atlas

Im Jahr 2012 hatten nur 84 Prozent der marokkanischen Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser. In den ländlichen Regionen waren es gar nur 64 Prozent. Sollte vor diesem Hintergrund die Landwirtschaft nicht Wasser sparen? Und wenn ja, wie?

Wasserverbrauch in % für Landwirtschaft Haushalte Industrie
… in Marokko 88 10 2
… in Österreich 5 17 78
… weltweit 70 11 19

Mehr Humus und Bio

Wasser geht ja nicht „verloren“, wird ja nicht „verbraucht“, sondern eigentlich nur von uns verwendet. Danach kann es entweder verschmutzt (z.B. durch Pflanzenschutzmittel) oder nicht mehr greifbar sein (weil z.B. von den Feldern verdunstet). Ich sehe es in einem Land wie Marokko besonders deutlich, dass wichtige Ziele der Landwirtschaft sein müssen, Wasser sparsam einzusetzen und sauber im Kreislauf zu belassen. Bio-Böden haben zum Beispiel um 39 Prozent mehr Wasserrückhaltevermögen als konventionelle, mit synthetischem Stickstoff versorgte Böden. Biolandbau benötigt weniger „Blaues“ und deutlich weniger „Graues“ Wasser! Durchschnittlich senken Bio-Lebensmittel den Wasserbedarf um 15 Prozent! Wenn das kein Argument ist für meinen Slogan: „More Organic for Morocco“!

Die drei Formen des Wassers sind: „Blaues Wasser“ ist Oberflächen- und Grundwasser, das in der landwirtschaftlichen Produktion z. B. für Bewässerung, in der Tierhaltung oder zur Mineraldüngerherstellung direkt eingesetzt wird. „Grünes Wasser“ wird von Pflanzen und vom Boden während der Vegetationsperiode verdunstet. „Graues Wasser“ bezeichnet jene Wassermenge, die nötig ist, um im Wasser vorhandene Schadstoffe (z. B. Nitrat, Phosphate und Pestizide aus der Landwirtschaft) auf Gehalte unter die für Trinkwasser geltenden Grenzwerte zu „verdünnen“ und kann je nach Produkt viele 1000 Liter ausmachen.

Quellen:
Bodenwasserwirtschaft, Als Download am 26.10.2016
FAO, 2016. Site web AQUASTAT. Organisation des Nations Unies pour l’alimentation et l’agriculture
bio-wissen.org

Beitrag von

Sonja Wlcek
Sonja Wlcek
Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!