Männer wollen Fleisch. Ganz oft Schnitzerl, manchmal auch Schweinsbrat’l, Kotte oder Stelze. Einige unserer (ausschließlich männlichen!) Freunde wollten sich ein Schwein teilen und selbst in solche Einzelteile zerlegen. Um mehr über dieses Lebensmittel zu lernen. Sie fragten uns nach einer Quelle. Und ob wir mittun wollten. Welche Frage!
Perfekter Biobauer
Für uns war eines glasklar: Bio muss das Fleisch sein und also das Schwein glücklich. Im Strohstall mit Auslauf und bestem Bio-Futter aufgewachsen. Und stressfrei geschlachtet. Mir fiel der perfekt passende Bio-Schweinebauer ein: Supernett, nah bei Wien, unkompliziert, ein Experte der Fleischzerlegung. Das ist Norbert Mitteregger! Ich rief ihn an.
Er freute sich. Sicher könnten wir eine Schweinehälfte haben, er vermarktet ja selbst jede Woche! Ich fragte, ob ich das Schwein vorher besuchen könnte. Und ob ich vielleicht bei der Schlachtung dabei sein könnte? Norbert kennt mich. Er weiß, dass ich Expertin bin. Und machte eine Ausnahme: „Weil du es bist!“
Knochen oder Finger schneiden
Dann kamen bei uns und unseren Freunden viele Fragen auf: Wer hat zu welchem Schlachttermin Zeit? Bei wem können wir die Schweinehälfte zerlegen? In welchem Auto transportieren wir das halbe Schwein? Wer hat eine Knochenhacke? Einen Hackstock? Extra-scharfe Messer? Därme für die Wurst? Einen Fleischwolf? Als sich Walters Frau weigerte, die Küche zur Verfügung zu stellen, wurde es kompliziert. Aber Männer sind bekanntlich lösungsorientiert, wenn sie etwas wollen! Alles kein Problem! Ich rief Norbert noch einmal an. Ob wir seinen Fleischverarbeitungsraum verwenden dürften?
Nun wurde Norbert doch ein bisschen nervös. Was, wenn sich jemand mit seinen extra-scharfen Messern einen Finger abschneidet? Sind wir alle hygienisch genug für seinen sauberen Verarbeitungsraum? Wann soll das überhaupt stattfinden und wie viele Stunden blockieren wir dann seinen Raum? Er und sein Sohn Matthias müssen ja die anderen Schweinehälften für die Kunden des Hofladens aufarbeiten… Aber Norbert ist ja auch ein Mann und hat eine Lösung: „Das mach‘ ma schon! Irgendwie.“
Unser Bio-Schwein be- und aussuchen
Also fuhr ich zuerst einmal nach Bad Fischau-Brunn und überzeugte mich vom guten Leben der Bio-Schweine. Norbert bewirtschaftet mit seiner Familie den Landwirtschaftsbetrieb westlich von Wiener Neustadt schon seit 1997 nach Bio-Richtlinien. Damals baute er die Scheune um und mästete fortan etwa 250 Bio-Mastschweine im Jahr, die dann im Supermarkt in den kleinen Styroporschalen landeten. Doch vor einigen Jahren verteuerten sich die Bio-Futtermittel und der Bio-Schweinepreis gab nach. Norbert begann damit, seine Bio-Schweine selbst zu zerlegen und an begeisterte Nachbarn zu verkaufen.
Mittlerweile füttert er im Jahr nur noch etwa die Hälfte der Tiere und vermarktet das Fleisch direkt an seine Kunden von Wien bis ins Burgenland. Ich bin irgendwie eine besondere Kundin. Wir besichtigten gemeinsam die größeren Schweine. „Welches wollt ihr denn haben? Such dir eines aus“, sollte ich über Leben und Tod am darauf folgenden Montag entscheiden. Das war mir dann doch etwas zu heikel. Ich ließ ihn passende Tiere aussuchen. Sie sahen alle prächtig aus!
Entspanntheit für beste Fleischqualität
Wir trafen uns dann am Montag sehr zeitig in der Früh beim Schlachthof. Ich kam fast zu spät – ich fuhr zuerst zur Verkaufsstelle der Fleischerei. Norberts drei Mastschweine warteten schon etwas verunsichert in einer sauberen Bucht auf etwas ihnen Unbekanntes. Als die Tür aufging, schlenderten sie neugierig um die Ecke in den Vorraum der Schlachtbox. Von dort holte sie ein entspannter, weiß gekleideter Mann ab. Ich bemerkte es kaum, so rasch waren die drei Tiere leblos und dann tot. Ich hörte kein Quieken, kein Rennen, kein Schreien. Wirklich eine stressfreie Schlachtung wie es sich für beste Fleischqualität gehört!
Beim Warten auf die Schlachthälften vereinbarten wir dann den weiteren Ablauf: Norbert würde uns allen am Donnerstag zeigen, wie er unsere Schweinehälfte zerlegt. Kopf, Innereien und Füße nehme er gleich, und auch den Schinken würde er gleich abschwarten. Wir bekämen im Gegenzug unseren Anteil an Leberknödel, Schmalz und Presswurst. Bratwürstel wollten wir gemeinsam machen und gleich verkosten. Wir machten einen Pauschalpreis aus. Alles klar? Bis Donnerstag!
Bio-Schnitzel leicht gemacht
Wir erschienen pünktlich und zu fünft auf Norberts Hof. Wir hatten ganz viele Kühltaschen und große Säcke mit, Walter dazu noch Bier und Thomas Brot und Senf. Wir hatten schon Hunger. Aber zuerst zeigten uns Norbert und Matthias, wie einfach Schweinezerlegen geht! Wenn man weiß, wo man hineinschneidet. Und wie tief. Mit extra-scharfen Messern. Und wie man die Knochen drehen, kippen oder ziehen muss, um sie herauszubekommen. Wir sahen den Trick mit der Schnur zum Rippen-Auslösen. Norbert war nett wie immer. Ich stellte mir unsere Gruppe rund um einen (nicht unseren!!!) Küchentisch mit unseren Küchenmessern vor. Danke, Norbert! Du hast uns vor Verletzungen und unangenehmer Gruppendynamik bewahrt!
Warum die Wurst zwei Enden hat
Nach zwei Stunden lagen in vier Fleischkisten gerecht aufgeteilt die Teilstücke: Bauch, Schopf, Schale, Karree, Schulter, ein winziger Teil Lungenbraten. Und natürlich Schnitzel. Jetzt noch die Wurst: Genaues Fett-Fleisch-Verhältnis (mehr Fett!) abwiegen, Salz und Bio-Gewürze abmessen, und hinein damit in die riesige Faschiermaschine. Dann kam Walters großer Auftritt: Kneten des Bräts! Damit sich die Masse verbindet für feinen Würstelbiss. Walter arbeitete hart und begeistert. Und durfte auch die Därme befüllen. Wir probierten, möglichst immer gleich lange Würstel abzudrehen. Na ja… Norbert hängte sie aufs Gestell und hinein damit in den Ofen!
Mahlzeit mit Würstel statt Bio-Schnitzel
Wir nutzten die Zeit, um unsere Fleischstücke zu vakuumieren und auf Kühltaschen und Säcke aufzuteilen. Matthias und Norbert wuschen schon den Zerlegeraum. Wir hatten nun ein bisschen Zeit für ein Bier. Jetzt hieß es warten.
Wie herrlich schmeckten dann die noch heißen Brühwürstel zu frischem Bio-Brot! Mit fetten Fingern und vollem Magen verließen wir nach mehreren Stunden den Mitteregger-Hof. Norbert betonte beim Abschied: „Das war eine einmalige Gelegenheit! Nur für dich! Das mache ich sonst für niemanden! Bitte nicht weitersagen!“ Tue ich natürlich nicht! Was ich aber weitersagen will: Bestes Fleisch, Bratwurst, Schmalz, Schnitzeln und noch viel mehr von stressfrei geschlachteten Bio-Strohschweinen gibt es jeden Samstag im Hofladen der Familie Mitteregger in Bad Fischau-Brunn zu kaufen!
Tipps:
Bio-Fleisch- und Wurstspezialitäten vom Biohof Mitteregger kann man hier bekommen
Andere Bio-Schweinefleisch-Direktvermarkter in ganz Österreich
Interessantes zum Thema Fleisch:
Jeder Österreicher und jede Österreicherin isst (bzw. kauft) pro Jahr durchschnittlich 38 Kilogramm Schweinefleisch(produkte). Insgesamt verzehren wir statistisch gesehen 64 Kilogramm Fleisch(produkte) pro Person und Jahr. Hier nachzulesen.
Leider essen wir mittlerweile große Teile des Schweines nicht mehr. Hier ein paar Zahlen.
Dass Bio-Tierhaltung artgerecht ist, kann man hier nachlesen.
Fleisch in Maßen statt in Massen essen!
Beitrag von
- Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!
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