Der weltweit tätige Konzern Del Sol Food LLC betreibt südlich von Marrakesch drei Betriebe mit 180 Hektar Gesamtfläche. Darauf werden Speisetrauben, Melonen und Saisongemüse wie Brokkoli oder Zuckermais angebaut – alles konventionell, bewässert und für den Export bestimmt.
Bio-Klementinen mit High-Tec
Vor vier Jahren kam allerdings etwas Neues dazu: Auf 40 Hektar wachsen seither Klementinen-Bäume, deren Früchte ab der kommenden Ernte Bio sein werden.
In Marokko wurden 2015/16 insgesamt 62.181 Hektar Tangerinen/Mandarinen bearbeitet und davon 1.055.000 Tonnen geerntet. Davon waren etwa die Hälfte Klementinen. Jede/r Marokkaner/in isst pro Jahr 11 Kilogramm Tangerinen/Mandarinen, die damit die beliebtesten Früchte im Land sind.
Auf jeweils 20 Hektar wurden im Februar 2012 die Sorten Orogrande und Sidi Aïssa ausgepflanzt. Insgesamt sind das 32.000 Bäume, von denen sich Hassan Lairani, der Verwalter der drei DelSol-Betriebe, jeweils etwa 22 Kilogramm Bio-Zitrusfrüchte erwartet. Klementinen-Bäume beginnen mit vier Jahren, Früchte zu bilden. Zum Vergleich: Konventionell bewirtschaftete Klementinen-Bäume bringen fast doppelt so viel Ertrag, weil deren Früchte deutlich größer werden.
2015 betrug die zertifizierte Bio-Fläche an Zitrusfrüchten in Marokko 760 Hektar. Zusätzlich waren letztes Jahr 70 Hektar Zitrusfrüchte in Umstellung.
Und das, obwohl (auch) der Bio-Klementinenanbau High-Tech ist: Die – vom Staat Marokko zu 100% subventionierte – Tröpfchenbewässerung der Bio-Bäume ist komplett vom Bewässerungssystem der konventionellen Flächen getrennt. Damit klar gestellt ist, dass die Bio-Flächen keine unerlaubten chemisch-synthetischen Düngemittel über das Wasser bekommen. Bewässert wird mit etwa 900 Liter/m2 Wasser im Jahr, also gar nicht wenig. Die Düngung erfolgt mit Fischmehl aus nachhaltiger Fischerei – ein in Österreich nicht erlaubter Bio-Dünger. Und als Pflanzenschutz kommen Pheromone, Nützlinge und Mineralöl zur Anwendung.
Entscheidend für beste Qualität der Bio-Klementinen ist dann die Ernte. Die Farbe der Früchte ändert sich während der Reife von tiefgrün (=unreif) über hell- zu dunkelorange (=vollreif). Erst bei einer ganz bestimmten Orangefärbung – die auf einer Farbskala genau definiert ist – werden die Klementinen mit Spezialzangen von den Ästen gezwickt und vorsichtig in Steigen gelegt. Werfen oder Schütten ist dabei streng verboten! Von jeder Charge werden Proben genommen und der Saftanteil sowie Zucker- und Säuregehalt bestimmt. Denn bei Bio-Früchten ist nur allerbeste Qualität gefragt.Warum macht ein Weltkonzern Bio?
Warum tut sich das ein Weltkonzern an? Wir fragten den Produktionsleiter des marokkanischen Tochterunternehmens DelSol Refrigerating Plant, Hafid Charfaoui, warum seine Firma eigentlich in den Biolandbau eingestiegen ist. Er antwortete sehr deutlich: Weil sich seine Firma davon Vorteile verspricht. Der Markt für konventionelle Zitrusfrüchte ist schon bestens bedient, während DelSol im Bereich der Bio-Früchte noch Nachfrage sieht. Es geht also weder um Boden- noch um Wasser- oder Naturschutz, sondern ausschließlich um den „Markt“.
Diese Erklärung kam natürlich nicht überraschend, ernüchterte uns aber doch. Denn eines ergänzte Herr Charfaoui: Sollte der Bio-Markt nicht genug abwerfen, werden die Flächen eben wieder konventionell. Wenn sich das Bio-Pflänzchen bewährt, könnten sie ausgeweitet werden. Und DelSol in andere Bio-Früchte einsteigen. Grundsätze des Biolandbaus wie Nachhaltigkeit, Bodenfruchtbarkeit oder Kreislaufwirtschaft kamen jedenfalls in seinem Gespräch nicht vor…INRA Country Report: Organic Agriculture in Morocco
Jahresbericht 2015 Zitrusanbau Marokko
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- Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!
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