Nach mehreren Wochen Fleisch, Obst und Streetfood – jedenfalls immer konventionell – machten wir uns auf die Suche nach Bio in der Zehn-Millionen-Metropole Bangkok.
Autos und Klimaanlagen
Nun muss man zwei Dinge wissen: 1. Bangkok ist eine Stadt für Autos: Es gibt wenige, oft skurril schmale Gehsteige und sehr viele bis zu zehnspurige Straßen, die nur über Fußgängerbrücken überquert werden können. 2. Offenbar ist es ein Zeichen von Wohlstand, sämtliche Innenräume auf 18°C zu kühlen, vor allem wenn es im heiß-feuchten Mai in Bangkok etwa 35°C misst. Wirklich luxuriös wird es, wenn Ventilatoren für Zugluft sorgen.
Wir fanden in Bangkok drei organic restaurants, ein organic café und ein paar Bio-Supermärkte. Ich entwarf eine Route und wir zogen nach einem Tässchen Bio-Tee von Finh Ho am brütend heißen Montagmorgen los. In der Métro nach Sukhumvit, des „Nobelbezirks“ von Bangkok, wurden wir das erste Mal so weit abgekühlt, dass wir froh waren, wieder an die Oberfläche zu kommen.
Im Supermarkt und im Café Pseudo-Bio
Nach einem bedrohlichen Fußmarsch (siehe Punkt 1) durch einen der feinsten Bezirke Bangkoks fanden wir das Simple leider geschlossen vor. Schade, sah im Internet gemütlich aus. Macht nichts, das Brekkie organic café lag ebenfalls in Sikhumvit. Am Weg dorthin (siehe Ding 1) kamen wir an einem Lemonfarm-Supermarkt vorbei. Dieser entpuppte sich sowohl als Kühlschrank als auch als interessante Unbekannte. Die Produkte der Eigenmarke wiesen keine uns bekannten Bio-Gütesiegel auf. Alle anderen Lebensmittel waren definitiv nicht organic. Und es gab kein (Bio-)Bier. Ich kaufte einen Snack, der mittels Aufkleber angab, aus thailändischem Bio-Reis hergestellt worden zu sein. Um ihn Vitoon Panyakul von Greennet zu zeigen, den wir am nächsten Tag treffen sollten.
Im Brekkies organic café tranken wir dann sehr teuren Kaffee in schickem Ambiente und erholten uns vom Auto-Wahnsinn dieser Stadt. Die Klimaanlage kühlte auf fast erträgliches Maß. Ich war neugierig, was das organic im Namen bedeutet. Mister Bird, der Brekkie-Manager, sprach leider nur so viel Englisch, um mir zu erklären, dass der Kaffee sicher nicht bio sei. Sie hätten Bio-Salat oder so, meinte er. Details scheiterten an der Sprachbarriere. Ich könne aber am Dienstag den Supervisor telefonisch befragen. Das sparte ich mir. In Thailand ist Biolandbau nicht gesetzlich geregelt. Die Begriffe bio, öko oder organic sind nicht geschützt.
Nachhaltiges Sustaina und Streetfood-Suppe
Als nächstes steuerten wir das altehrwürdige Sustaina an. Dort werden Gemüse, Nudeln, Marmeladen und einiges mehr der seit 13 Jahren bio produzierenden Harmony Life Organic Farm verkauft. Im ersten Stock werden sie nach modern-japanischer Art verkocht. Ich entschied mich für eine feine Bio-Kuchenauswahl aus der hauseigenen Bäckerei. Die Speisekarte listete diverse Bio-Gütesiegel auf, und auf Nachfrage gab mir ein netter Herr umfangreiche Informationsbroschüren auf Englisch mit. Leider war es wieder so kalt, dass wir Langarm-TShirts anziehen mussten. Wie hielten es die vielen anmutigen Damen in ihren Designerkleidchen hier aus?
Das BeOrganic–Restaurant von Lemonfarm besichtigten wir dann nur von außen. Nachdem im angegliederten – natürlich eisgekühlten – Supermarkt das Pseudo-Bio-Angebot wie schon in der vorherigen Filiale überwog, beschlossen wir, den Tag ohne Bio ausklingen zu lassen. Wir aßen die wunderbare, traditionelle Geflügelsuppe mit handgemachten Reisnudeln und (konventionellem) Schweinefleisch im Streetfood-Lokal vorne an der Ecke. Eine der besten Suppen Bangkoks!
Ein Grünes Netz statt staatlicher Regeln?
Am Dienstag bestätigte uns Vitoon Panyakul, dass Bio und Bangkok nicht so gut zusammenpassen. In ganz Thailand werden nicht mehr als 0,3 Prozent der Flächen nach internationalen bzw. privaten Bio-Standards bewirtschaftet. Etwa 60 Prozent davon – wie der Bio und Fairtrade-zertifizierte Greennet-Reis – gehen in den Export. Greennet, das vor mehr als 25 Jahren mit Fairtrade-Produkten begonnen hat, berät und unterstützt mittlerweile etwa 1000 Bauernfamilien und vermarktet deren Bio-Produkte. Von einer staatlichen Regelung zu Bio hält er nichts: „Niemand hier glaubt an die Ehrlichkeit der Regierung. Private Standards sind da besser.“ Ob der Bio-Reis in meinem Snack vom Lemonfarm-Supermarkt tatsächlich bio ist, kann er daher nicht sagen.
Aber die Konsumenten in Thailand hätten sowieso keine Ahnung von Bio, sagte Vitoon: „In einer Greennet-Studie behaupteten 90 Prozent der Befragten, dass sie Biolandbau kennen und wissen, was das ist.“ Dann konnte aber nicht einmal die Hälfte davon Fragen nach Eckpfeilern im Biolandbau – wie Verbot von Gentechnik oder chemisch-synthethischen Spritzmitteln – richtig beantworten. Also müsse sich Greennet mehr der Konsumenteninformation widmen, meinte Vitoon abschließend. Wo wir nun in Bangkok Bio kaufen könnten? Vitoon empfahl uns die Tops-Supermärkte mit Greennet-Sortiment. Nein danke, wir hatten am Vortag schon genug gefroren.
Eine Agrarwende sieht anders aus
Wir hegen seither erhebliche Zweifel, ob der von Greennet – und auch von österreichischen Bio-Organisationen – bevorzugte Weg der richtige für mehr Nachhaltigkeit auf dieser Welt sein soll: Einfach zu erfüllende Bio-Standards, Bauernberatung und Konsumenteninformation. Bleibt die Wachstumsgeschwindigkeit des Biolandbaus in Thailand auf gleichem Niveau, wären in 100 Jahren immerhin drei Prozent Bio erreicht. Das ist nun kein ambitioniertes Ziel. Es zeigt eher, dass Bio-Organisationen leicht mit sich selbst zufrieden sind. Eine Agrarwende für Klima- und Bodenschutz muss anders aussehen!
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- Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!
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