Wo kann man in Marokko eigentlich Bio-Lebensmittel einkaufen? Ich suchte mit Hilfe des Internets ein Geschäft, das zu 100% Bio anbietet. Und fand La Vie Claire. Unter dieser französischen Dachmarke werden 275 Filialen in Frankreich, zwei im Libanon und drei in Marokko betrieben. Am Freitag besuchten wir eine der beiden Filialen in Casablanca und kauften ein bisschen ein.
Feine Gegend, sehr hohe Preise
Wir fanden den Bio-Supermarkt in einer noblen Wohngegend, umgeben von edlen Geschäften und Kindervergnügungen. Dementsprechend fein aussehende Damen – und Herren – bevölkerten die beiden schmalen Gänge. Alle Kundinnen und Kunden, denen ich zuhörte, sprachen französisch, keine einzige arabisch. Das wunderte mich nicht mehr, als ich mir die Preisschilder an den Regalen ansah.
Die Preise des umfangreichen Bio-Sortiments waren durchgängig sehr hoch. Manche entsprachen jenen in Österreich, einige waren sogar deutlich darüber. Ein halbes Kilogramm Reis um EUR 4,- fand ich dann unverschämt in einem Land, in dem der Mindestlohn von umgerechnet etwa EUR 250,- pro Monat bei etwa zwei Millionen Arbeitern noch unterschritten wird.
Bio-Datteln in ungewohnter Größe
Im La Vie Claire wird nur „allerbestes“, fehlerfreies Bio-Gemüse und Bio-Obst angeboten. So riesig große Datteln wie im Bio-Supermarkt habe ich auf keinem Souk bisher gesehen – auf denen Bauern ihre Ware direkt anbieten. Dass diese extra-großen Datteln einen vierfach so hohen Preis haben müssen wie jene am Markt, ist nachvollziehbar.
Und dass sich Bio damit nur noch eine ausgewählte, wohlhabende Klientel leisten kann, ebenso. Hier stellte sich mir die Frage, ob dieser „Bio-Qualitätsanspruch“ im Sinne des Bio-Gedankens ist: Ausschließlich Premiumprodukte zu Apothekerpreisen für Reiche anzubieten? Wie es ja auch in Österreich mit „noch besserem Bio“ passiert…
Ganz wenig regionales Bio
Neben den Datteln fand ich kaum marokkanische Produkte. Das Sortiment war bis auf wenige Ausnahmen französisch. Das ist für eine Kette, die 1600 Produkte unter der Eigenmarke „La Vie Claire“ anbietet, nicht wirklich überraschend. Vor dem Hintergrund, dass marokkanische Bio-Produkte mangels heimischem Absatzmarkt fast vollständig exportiert werden (müssen), hat es mir aber schon zu denken gegeben.
Nicht bio, aber marokkanisch
Da war mir dann jenes Moroccan Legacy-Geschäft sympathischer, in das wir beim Rückweg eher zufällig hineingeraten sind. Dort werden marokkanische Produkte in schöner Verpackung zu zwar nicht billigen, aber vernünftigen Preisen angeboten. Nicht bio, aber traditionell hergestellt in Kooperativen. Bei den Produkten handelte es sich um regionale Spezialitäten wie Amlou, eingelegte Zitronen, sortenreine Blütenhonige oder Feigenmarmelade. Alle zu 100% mit marokkanischen Zutaten. Wir verkosteten und kauften.
Mein persönliches Fazit: Regionale Produkte zu fairen Preisen sowohl für ProduzentInnen als auch für KonsumentInnen finde ich sinnvoller als qualitativ höchstwertige Bio-Produkte, die sich nur noch die obersten 10.000 leisten können!
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- Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!
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