Biobauern Landwirtschaft West Sikkim (c) Reinhard Gessl

Zu Gast bei Sikkims Biobauern. Teil 1: Der Südwesten

Organic

Während unseren Besuchs im indischen Bundesstaat Sikkim durften wir einige herausragende Biobauern und Biobäuerinnen besuchen und einen Blick in deren Betriebe werfen. In zwei Beiträgen möchte ich sie vorstellen und damit einen kleinen Einblick in die Besonderheiten des Biolandbaus ermöglichen. Hier die Biobetriebe in Süd- und West-Sikkim.

 

Dashi Sherpa in Perbing, Süd Sikkim

Dashi Sherpa in Perbing

Mister Sherpa ist erste Bauer im Ort, der 2005 auf Biolandbau umgestellt hat. Sein Schwerpunkt liegt auf Gemüse, er bewirtschaftet zwei Hektar Land. Darauf befinden sich mittlerweile sechs Folientunnel, in denen er neben Schnittblumen den regionalen Dallay-Chilli (klein, rund, rot und sehr scharf) kultiviert. Im Gegensatz zur Freilandkultur wird der Chilli in den beiden Gewächshäusern von Herrn Sherpa fünf bis sechs Jahre lang geerntet. Chillis sind hier mehrjährige, schulterhohe Pflanzen, zwischen denen je nach Saison Blatt- oder Kohlgemüse angebaut werden. Dallay Chilli (c) Reinhard GesslWeiters wachsen Orangen und Zitronen in einem seiner Folientunnel – ein Versuch, wie er betont. In anderen Gewächshäusern kultiviert er Blumen wie Lilien oder Nelken. Auf seinen Freilandflächen wachsen Bananen, Kiwi, Kartoffeln, Rettich, Mais und Erbsen. Während der regenlosen Winters ist Ruhepause. Zusätzlich besitzt er zwei Kühe und ein paar Hühner. Herr Sherpa stellt Wurm- und Rinderkompost her, mit denen er seine Flächen versorgt. Er sagt zur Umstellung auf Biolandbau: „In den ersten zwei Jahren ging der Ertrag zurück, doch seither ernten wir gleich viel oder vielleicht sogar mehr als vorher.“ Vielen Dank für den Tee, den er uns in seinem Wohnzimmer mit schmuckem Hausaltar serviert hat!Dashi Sherpa im Wohnzimmer (c) Reinhard Gessl

Mani Kumar Gurung und Mala Sherpa in Rongbul bei Namchi, Süd Sikkim

Mala Sherpa und Mani Kumar Gurung, Rongbul (c) Reinhard GesslGleich zu Beginn unseres Besuchs wurden wir auf eine Tasse Tee ins Wohnzimmer gebeten. Dort erwartete uns neben selbst gebackenen Germteigringen ein großer Topf gekochter Erdäpfel und Minzsauce. Welch ein netter Empfang mit besten Biolebensmitteln aus dem eigenen Betrieb! Das kinderlose Ehepaar bewirtschaftet die zwei Hektar Land plus einem Hektar Schwarzen Kardamom – eine mehrjährige Kultur – zu viert: Onkel und Tante arbeiten im Betrieb mit. Dazu kommen je nach Saison noch vier bis zehn Arbeiter. Es sind immerhin fünf Milchkühe händisch zu melken – wir haben auf keinem der Betriebe Melkmaschinen gesehen – und deren Nachzucht zu versorgen. Saisonarbeiter Biobetrieb Gurung und Sherpa (c) Reinhard GesslDazu kommen Orchideen und Nelken in Folientunnel sowie diverses Gemüse: Von Mais und Kartoffeln über Kräuter, Blattgemüse, Kraut, Broccholi, Chayote und Zwiebeln bis zu Knoblauch. Bio ist der Betrieb seit 2007. Frau Sherpa zeigte uns ihre sorgsam gepflegten Kompostplätze mit wunderbarem Inhalt und erzählte uns von einem deutschen Ehepaar, bei dem sie Permakultur gelernt habe. Welche Erfahrungen sie mit der Umstellung auf Bio machte? „Wir haben nie chemisch-synthetische Dünger verwendet. Wir sind zu weit weg von der Straße, der Transport wäre viel zu teuer gewesen. Mit der Umstellung haben wir Trainings bekommen und die Kompostplätze angelegt. Seither sind unsere Erträge gestiegen, wir ernten also heute viel mehr als früher. Für uns war die Umstellung also der richtige Weg!“, ist Mala Sherpa überzeugt.Kompost aus Rinderdung auf Biobetrieben (c) Reinhard Gessl

Santosh Gautam, Geyzing, West Sikkim

Einfacher Rinderstall am Betrieb Gautam (c) Reinhard GesslDer Betrieb unseres umsichtigen und engagierten Guide in West-Sikkim ist ein typischer Milchviehbetrieb. Herr Gautam besitzt vier Kühe, wovon zwei während unseres Besuchs Milch gaben, und dazu noch ein Jungrind. Die Milch verkauft er direkt in der Kleinstadt Geyzing/Gyalshing, täglich verteilt er sie an Geschäfte und Familien. Je Liter bekommt er dafür 40 Rupien, das sind gute 55 Cent. Jene 2,5 Hektar, die er besitzt, reichen als Futterfläche nur knapp aus, denn 60 Prozent davon sind Wald. Doch seine zwei Angestellten – seine Frau ist Schuldirektorin, sein Vater Beamter und er selbst Field Operator bei Mevedir – sammeln dort Blätter und Kräuter und schneiden sie samt allen am Betrieb anfallenden grünen Materialien klein. Biobetrieb Gautam in Geyzing/Gyalshing (c) Reinhard GesslVor dem Verfüttern kochen sie die Mischung, denn: „Meine Kühe sind heikel. Es schmeckt ihnen roh nicht“, erklärt Santosh den hohen Aufwand. Dazu kommt noch die Pflege und Ernte von Mais, Kürbis, Chayote, Erdäpfel, Auberginen, Bananen, Passionsfrucht und 400 Dallay-Chillipflanzen. Umso mehr freuten wir uns über die Zeit, die uns der junge Betriebsleiter während unseres Geyzing-Aufenthalts geschenkt hat!

Abhi Kasher Khatiwoda in Upper Omlop, West Sikkim

Biobetrieb Khatiwoda in Lower Onglop (c) Reinhard Gessl

Der einzige bio-dynamische Landwirt in Sikkim ist seit 2013 biozertifiziert. Sein Schwerpunkt liegt auf der Produktion von bio-dynamischem Wurmkompost, den er in Ein-Kilogramm-Säcken an Stadtbewohnerinnen verkauft. Der Kompost wird in besonderen Gruben aus Kuhdung, der Erde unter einem speziellen, heiligen Baum und Eierschalen hergestellt. Ein Kalender hilft, die passenden Tage für das Anlegen des Komposts zu finden. Zusätzlich stellt Herr Khatiwoda „normalen“ Kompost aus Pflanzenresten und Ziegenmist her. Von seinen 1,1 Hektar ernährt er eine Kuh samt Kalb sowie vier Ziegen und deren Junge. Dazu kommen Mais und Ingwer im Gemengeanbau sowie diverses Freilandgemüse. Außerdem besitzt er einen der besonders seltenen und wertvollen Wildapfel- und mehrere Timburbäume, dessen Samen als Pfefferersatz und Heilmittel gegen Magenbeschwerden verwendet werden. Biobetrieb Khatiwoda Ingwer im Mais (c) Reinhard GesslDerzeit verkauft er die Timbursamen (Nepalpfeffer) – wie auch seinen Ingwer – am lokalen Markt in Geyzing, kann sich aber internationale Abnehmer für diese Spezialität gut vorstellen. Zum Abschluss lud er uns auf köstlichen Rhododendron-Wein ein. Danke für diese Neuheit in unserer Geschmackswelt!

Familie Khatiwoda und die Besucher (c) Reinhard Gessl

Familie Khatiwoda (Mitte) und unsere Begleiter von Mevedir (außen)

Palchen Darjee und Sonam Doma Bhutia in Upper Chumbong, West Sikkim

Kiwi Sorte Allison (c) Reinhard GesslVor fünf Jahren begann die Regierung von Sikkim, eine Kiwisorte mit großen Früchten, die sich im nordwestlichen Bundesstaat Himachal Pradesh bewährt hatte, auch in hiesigen Betrieben zu propagieren. Jener des Ehepaars Bhutia gilt seither als innovativer Pionierbetrieb: Hier ranken sich – wie sonst nur bei etwa 45 anderen Biobauern der Gegend – Kiwipflanzen über Kardamomstauden an Eisengerüsten hinauf. Herr Pucha Tshering Bhutia vom regionalen Horticulture and Cash Crop Department erklärt uns die Hintergründe: Das Blätterdach der Kiwis soll den Kardamom vor Hagel schützen. Und die Früchte sind ein gesuchtes Exportprodukt. Wobei die Kiwipflanzen erst im vierten Jahr Früchte tragen, wie uns der Gartenbauexperte erklärte. Biobetrieb Bhutia in Upper Chumbong (c) Reinhard GesslDie Bäuerin führte uns dann noch zu anderen Bereichen am vier Hektar großen Betrieb: in Gewächshäuser mit Schlangengurken und Tomaten, über Freilandflächen mit Mais und Bohnen, zum Kuhstall mit vier Kühen und zum Schwein. Wie auch in den anderen Betrieben vermissten wir hier die Einstreu. Frau Bhutia bewirtete uns mit Tee und selbst gebrautem Buchweizen-Bier aus ihrer einfachen Küche, vielen Dank dafür! Und Grüße an Herrn Bhutia, den wir an diesem Tag nicht kennen lernten!Küche von Frau Sonam Doma Bhutia (c) Reinhard Gessl

Bimal Basnett in Upper Bhaluthang, West Sikkim

Biobetrieb Bimal Basnett in Upper Bhaluthang (c) Reinhard GesslAm Rückweg hielten wir noch kurz bei den Freiland-Tomaten von Herrn Basnett. Der junge Mann überraschte mit seiner Aussage, dass Betrieb schon seit zehn Jahren bio sei. Die Umstellung erfolgte zu Zeiten seines Vaters. Wir erfuhren, dass Herr Basnett heuer wieder 2000 Tomatenpflanzen der Sorte Romeo ausgepflanzt hatte. Das Saatgut dazu kam – wie alle anderen Betriebsmittel – kostenlos von der Regierung. Wir bemerkten erstaunt den flächendeckenden Unterwuchs zwischen den Paradeisern. „Das stört überhaupt nicht“, betont Herr Basnett. In seiner Freilandproduktion erntet der junge Bauer erfahrungsgemäß zwischen zwei und vier Kilogramm Früchte je Pflanze, die er um je 40 bis 50 Rupien (55 bis 70 Cent) am Markt verkaufen kann. Er ist recht zufrieden damit: „Es gibt keine Probleme im Bioanbau. Wenn doch, helfen die Kräuterbrühen weiter, die wir gelernt haben selbst herzustellen.“ Auf die Besichtigung seiner sonstigen Gemüsesorten, Kompost oder Rinder verzichteten wir aus Zeitgründen.

Staatlicher Schweinezuchtbetrieb in Geyzing/Gyalshing, West Sikkim

Hampshire Eber in konventioenller Schweinezucht in Geyzing, Sikkim (c) Reinhard GesslRecht kurzfristig und noch dazu an einem Sonntag besuchten wir den staatlichen Schweine- und Hühnerzuchtbetrieb im Hauptort von West-Sikkim. Der Leiter, Herr Podam Mohra, nahm sich trotzdem Zeit für uns und führte uns durch die altertümlichen Schweinestallungen. Die Landesanstalt wurde immerhin schon im Jahr 1973 errichtet, da war der Biolandbau noch lange nicht in Sicht. Zwei Angestellte versorgen die 19 Sauen und derzeit einen Eber der Rassen Saddleback bzw. Tamworth. Ferkel sind rar in Sikkim. Herr Mohra verkauft sie nach dem Absetzen im Alter von acht Wochen. „Die Biobauern hätten sie gerne noch früher“, erzählt er. Männliche Ferkel sind mit 3500 Rupien um 500 Rupien teurer als weibliche, obwohl nicht kastriert. „Das machen die Bauern dann selbst“, sagt der Betriebsleiter dazu. Betriebsleiter Podam Mohra in Geyzing Gyalshing (c) Reinhard GesslDie Sauen leben zwar in geräumigen Buchten, aber ihr ganzes Leben lang in Einzelhaltung. Gruppenhaltung der tragenden Saunen ist im Stallkonzept weder vorgesehen noch offenbar üblich in Sikkim. Alle Buchten verfügen über einen großen Auslauf, aber wir sahen nirgendwo Einstreu oder Raufutter. Auch Tränken fehlen. Herr Mohra, der den Betrieb erst seit einem halben Jahr leitet, erklärt uns dazu: „Die Schweinehaltung ist nicht biozertifiziert, weil wir hier in Sikkim keine Bio-Futtermittel haben.“ Dass die Haltung auch nicht europäischen Standards entspricht, scheint ihn zu erstaunen. Danke jedenfalls Herrn Mohra für seine Zeit, die er mit uns am Sonntag verbracht hat!Schweinezuchtbetrieb in Geyzing (c) Reinhard Gessl

Beitrag von

Sonja Wlcek
Sonja Wlcek
Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!