Mit dem Fahrrad durch Bio-Österreich – Teil 2: Südlich der Alpen

Organic, Travel

Mit dem Fahrrad durch Bio-Österreich südlich der Alpen. Die zweite Woche brachte uns zu Freunden in Kärnten und der Steiermark. Es ging wiederum um’s langsam reisen und Bio genießen.

Mit dem Fahrrad durch Bio-Österreich südlich der Alpen Mölltal

Für unseren Fahrradurlaub zu netten Bio-Menschen in Österreich wandten wir in Salzburg einen kleinen Trick an: Wir stiegen in den Zug und flüchteten vor dem vorhergesagten Regen des Nordstaus ins sonnige Kärnten. Auf dem Weg in die Steiermark hatten wir es mit unserer Bio-Orientierung echt gut.

Von der Brauerei Gusswerk in Hof bei Salzburg radelten wir in die Stadt Salzburg und stiegen dort nach langem Warten – vier Räder in der Ferienzeit sind für die Transportkapazitäten der Bahn offenbar eine Herausforderung – in den Zug. Nachdem wir die Alpen durchtaucht hatten, verließen wir den dicht befüllten Fahrrad-Wagon in Mallnitz. Der Regen war tatsächlich schon abgezogen. So rasten wir bei glasklarem Licht auf feucht dampfender Straße steil hinunter ins schöne Mölltal. Das Ziel war Spittal an der Drau.

Gastfreundschaft heißt Ertl

Von weitem schon sahen wir die Kuhherde der Ertls auf der Weide jenseits der Bahn grasen. Um den täglichen Austrieb der Bio-Lebensleistungskühe zu ermöglichen, hatte einst die ÖBB eine eigene Unterführung graben müssen. Altbauer Martin war bei unserer Ankunft noch im Stall, Altbäuerin Erika bereitete im neuen Hofladen den Verkauf für den nächsten Tag vor, Karin und Christian waren noch mit dem Gemüse im ebenfalls neuen Folientunnel beschäftigt. Paul und Ruth hatten dennoch schon alles für unsere sehr kurzfristige Ankunft vorbereitet. Bevor wir die Zelte im Hausgarten aufstellen durften, mussten wir erst die besonders schönen, zutraulichen Kälber anschauen. Der Abend verging mit Erzählen des neusten Bio-Tratschs wie im Fluge.

Lebensleistungszucht Bio-Milchkühe

Sichtlich stolz: Paul Ertl mit seiner eingrasenden Bio-Lebensleistungsherde. Foto: (c) Reinhard Geßl, organic17

Kaslab’n – Bio-Käse in Bio-Sphären

Die Kaslab’n in Radenthein unweit des Millstädter Sees ist ein Musterbeispiel für visionäre, mutige Zusammenarbeit von Bio-Bauern und -Bäuerinnen für eine selbstbewusste, eigenständige Milch-Veredelung und -Vermarktung. Die Ertls waren an der Gründung der feinen Bio-Schaukäserei nahe dem Millstädter See inmitten des Biospärenparks der Kärntner Nockberge selbstverständlich unterstützend beteiligt.

Bio Kaslabn Bio-Käserei Schaukäserei

In der Schaukäserei „Kaslab’n“ in Radenthein lassen sich diese Bio-Köstlichkeiten auch gleich kaufen. Foto: (c) Reinhard Geßl, organic17

Nach der Besichtigung kauften wir jedenfalls gut und viel für die nächsten Jausen ein und genossen vor der stylischen Fassade im wärmenden Sonnenschein Bio-Kaffee, -Kuchen und -Joghurt.

Bio-Joghurt Kaslabn Radenthein

Feinstes Bio-Joghurt aus der Schaukäserei Kaslab’n in Radenthein. Foto: (c) Reinhard Geßl, organic17

Zitrusgarten – Bio im Umbau

Am Faakersee bot sich ein Besuch des Zitrusgarten von Michael Ceron doppelt an. Einerseits weil ein beträchtlicher Teil des Angebots Bio ist und andererseits, weil Claudia als Mastermind der Wiener Zitrustage eine der profundesten „Lemonheads” ist. Irgendwie schienen wir allerdings zu einem ungünstigen Zeitpunkt gekommen sein, denn ein Teil des Geländes war Baustelle. Und viele der 280 Zitrusgewächsarten wirkten in ihren schönen Tontöpfen müde und nicht ganz so „lemonfresh”. Nicht nur deshalb verzichteten wir auf einen Einkauf, erfreuten uns aber an der Gastfreundschaft der Chefin und der Exotik eines Yuzu-Schnapses (Citrus junos).

Bio-Zitruspflanzen

Nicht alles in der Bio-Zitrusgärtnerei am Faaker See glänzt so wie diese Frucht. Foto: (c) Reinhard Geßl, organic17

Biohof Tomic – Weltberühmt in Kärnten

Danach machten wir kurz Station in Eberndorf in der Nähe des Gösselsdorfer Sees. „Altbauer” Hannes Tomic freute sich sehr über unseren Besuch, zeigte uns begeistert seinen etwas aus der Zeit gefallenen, wabenförmig gestalteten Zuchtsauenstall – kein Eber in Eberndorf!? – diskutierte über die Vor- und Nachteile von Infrarotheizplatten im Ferkelnest und schlussendlich in der Küche über die aktuelle Entwicklung der Bio-Landwirtschaft. Ein bisschen schwelgten wir in Erinnerungen an „alte” Zeiten, als Hannes und ich im Kernteam der Bio Austria-Gründung – er als großer Bio Ernte-Obmann, ich als Vertreter der kleinen Bio-Verbände – Bio in Österreich neu zu denken wagten. Den tollen Biohofladen mit der unglaublichen Ernte- und Verarbeitungsvielfalt des Hofes konnten wir nicht mehr besuchen. Hannes sollte wegen einer familiären Verpflichtung gar nicht mehr zu Hause sein. 

Bio-Schwein Kärnten

Hannes als innovativer Bio-Bauer hat nicht nur einen unkonventionellen Bio-Schweinestall, sondern toastet auch Kärntner Bio-Sojabohnen und hat eine Pflugschar deutlich verbessert. Foto: (c) Reinhard Geßl, organic17

Mochoritsch goes Bio

Eine (unausgesprochene) Regel unseres Radurlaubs war: „Essen gehen, falls Bio, oder Bio am Gaskocher selber kochen.” Bei der nach wie vor überschaubaren Dichte an biozertifizierten Lokalen kochten wir gerne, oft und gut. Die kleine Umwege zum Seebauern am Gleinkersee und dann in Südkärnten nach Rückersdorf zum Landgasthof Mochoritsch machten wir aber noch lieber. Die Gastronomen-Familie Jernej stellt seit 2018 nicht nur ihre Landwirtschaft, sondern alle drei für’s gute Essen legendären Standorte (Griffenrast, Landgasthof Rückersdorf, Mochoritsch Eck am Klopeinersee) konsequent auf Bio um. Sichtlich stolz berichtete uns Hannes Jernej, dass bereits im ersten Jahr am Weg zu 100 Prozent Bio die 100 Tonnen-„Schallmauer” Bio-Fleisch fast durchbrochen worden war. Und dass die bewährten Wein- und Eierlieferanten nun auch den Mut haben, auf Bio umzusteigen. „Eigentlich wollen alle eh schon lange Bio werden, aber erst jetzt trauen sie sich”, ist seine (nicht ganz neue) Erkenntnis.

Die Mostbirne ist echt gut, aber noch nicht Bio. Foto (c) Reinhard Geßl, organic17

Bruder Josef, der vor allem die Landwirtschaft und den Landgasthof verantwortet, schwärmte von der unvergleichlich tollen Qualität der Ausgangsprodukte und der Begeisterung der Gäste zum Beispiel für den Bio-Schweinsbraten. Mit einem „Wir werden den Weg ‚Mochoritsch goes Bio‘ mit Überzeugung weitergehen” entlässt er uns in die absolute Dunkelheit der Kärntner Nacht.

Bio-Gastronomie Mochoritsch Kärnten

Die Brüder Hannes und Josef Jernej gehen den Weg zur Bio-Gastronomie langsam, aber konsequent. Dabei müssen sie neue Angebote entwickeln, um die verwöhnten Mochoritsch-Gäste mitzunehmen. Foto: (c) Reinhard Geßl, organic17

Bio-Weingut Schnabl

Für die Einreise in die Steiermark wählten wir den Radlpass: Passender Namen und deutlich weniger Höhenmeter bei moderaterer Steigung als die Pack. Als Zielort suchten wir uns Kleinstätten aus, weil dort ein Campingplatz an einem Naturbadeteich lockte und zudem der mir sehr sympathische biodynamische Bio-Winzer Karl Schnabel ganz vorzügliche Weine keltert. Leider erreichten wir den Hof im Sausal erst so spät, dass sich ein Besuch der ohne Traktor bewirtschafteten Weingärten und auch der behornten Hinterwälder-Rinder im Stall nicht mehr ausging. Wein einkaufen schafften wir aber mit Bravour. Der hervorragende Rotburger Kreuzegg ließ uns an dem letzten Urlaubsabend noch lange vor dem Zelt ausharren.

Bio-Wein Südsteiermark Karl Schnabel Demeter

Demeter-Weinbauer Schnabel verkauft seine sehr tollen Bio-Weine gerne ab Hof aber auch bis nach Japan. Foto: (c) Reinhard Geßl, organic17

Am nächsten Tag brachte uns der Zug von Graz wieder gut zurück nach Wien.

Wie lässt sich nun „Mit dem Fahrrad durch Bio-Österreich südlich der Alpen” zusammenfassen? Österreich ist echt schön, Österreich lässt sich echt gut mit dem Fahrrad bereisen, Österreich hat echt viele schöne Flecken. Österreich hat echt viel Bio. Und die Bio-Menschen zählen echt zu den nettesten Menschen der Welt!

mit den Fahrrad durch Bio-Österreich südlich der Alpen Hauptbahnhof Wien

Welcome home! Wien hat uns wieder. Foto (c) Reinhard Geßl, organic17

Beitrag von

Reinhard Geßl
Reinhard Geßl
Mein Herz schlägt beruflich seit 25 Jahren für eine ökologisch-tiergerechte Landwirtschaft. Die Zukunft der Landwirtschaft kann nur so aussehen! Ich sehe es als meine Berufung, ProduzentInnen und KonsumentInnen zusammen zu bringen.