Für unsere langsame Weiterreise Richtung Bangkok kam uns der Tonle Sap gerade recht. Die Bootsfahrt von Siem Reap nach Battambang führte uns auch über den riesengroßen See. Im Vorbeifahren konnten wir ein paar Blicke in die Wohnzimmer in den schwimmenden Dörfern werfen.
Der Tonle Sap ist groß wie ein Meer
Der Tonle Sap ist Vieles: größter See Südostasiens, Lebensraum und Lebensgrundlage für hunderttausende am See lebende Menschen, wichtigster Fischlieferant für die Menschen in Kambodscha, ein Umweltschutzgebiet und nicht zuletzt ein Naturphänomen.
Ein Fluss, der aufwärts fließt
Im Sommer ändert der See nämlich seine Fließrichtung, der Abfluss wird zum Zufluss. Im Juni und Juli schwillt der Mekong durch das Himalaya-Schmelzwasser und das Wasser der Regenzeit so stark an, dass er den Fluss aufwärts in den See schiebt. Der Wasserstand des Tonle Sap steigt von zwei Metern auf neun bis 14 Meter an und die Fläche des Sees versechsfacht sich.
Dies ist die Zeit, in der unzählige wandernde Fischarten nahrungsreiche Laichplätze aufsuchen und finden. Im Jänner und Februar ernten dann die Fischer mit traditionellen Methoden was herangewachsen ist: beachtliche 230.000 Tonnen Fisch. Sie decken damit 60 % der Proteinversorgung der kambodschanischen Menschen.
Wenig erstaunlich: Das einmalige Ökosystem ist in Gefahr
Das Gleichgewicht zwischen Zuwachs und Abfischen dürfte schon länger nicht mehr bestehen, trotz der einfachen (nicht immer legalen) Fangmethoden. Experten halten etwa die Hälfte des derzeitigen Fang für ökologisch vertretbar. Noch viel massivere Auswirkungen dürften mit der Fertigstellung der chinesischen Staukraftwerke auf das einmalige Ökosystem zukommen. Die Chinesen und die offiziellen Sprecher versuchen zu beruhigen. Wie die Geschichte schon mehrfach bewiesen hat, wird das eine oder andere wesentliche Detail bei der Planung mit hoher Wahrscheinlichkeit doch vergessen worden sein.
Die schwimmenden Dörfer
Die am Tonle Sap und am Zufluss schwimmenden Dörfer sind der bescheidene Lebensraum für hunderttausende Familien. Diese ziehen mit ihren farbenfroh bemalten Hütten oder Häusern auf Bambus- oder Holzplattformen mit dem wechselnden Wasserstand mit. Statt Mopeds, Fahrrädern oder Autos gibt es Boote. Vom einfachen Ruderboot bis zum sprotzenden Angeberschnellboot. Die kunstvoll aufgebauten Fischreusen und abenteuerlich aussehenden Bambuskran-Konstruktionen zum Herausholen der schweren Netze geben dem See und der mäandrierenden Flusslandschaft ein unvergleichliches Flair.
Das Leben am und vom See
Beim Durchfahren der Dörfer schaut alles nach einem stressfreien und geruhsame Leben aus. Die drahtigen, ausgemergelten Körper der ganz jungen bis sehr alten Fischer erzählen allerdings eine andere Geschichte. Das Leben am See dürfte mühsam und anstrengend sein. Aber die Familien am Tonle Sap haben nur dieses.
Hoffen wir das Beste. Für den Tonle Sap, für das Ökosystem, für die Eiweißversorgung, für die langsame Reiseroute und ganz besonders für die Menschen am See. Wir wären beispielsweise für ein Angebot „Urlaub im Biofischerhaus“ durchaus empfänglich. Dann würden wir nicht nur über den See und durch die Dörfer fahren, sondern innehalten und gutes Geld in der Region lassen.
Beitrag von
- Mein Herz schlägt beruflich seit 25 Jahren für eine ökologisch-tiergerechte Landwirtschaft. Die Zukunft der Landwirtschaft kann nur so aussehen! Ich sehe es als meine Berufung, ProduzentInnen und KonsumentInnen zusammen zu bringen.
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