Am Donnerstag waren wir bei Leila und Ismail zum Essen eingeladen. Sie sind Yassers Eltern, mit dem ich seit mehr als 30 Jahren befreundet bin. Leila ist ägyptische Hausfrau und spricht nur wenige Worte Englisch, aber wir verstehen einander auch ohne Worte! Ich wünschte mir ägyptische Spezialitäten. Also begann Leila am Mittwoch mit dem Kochen.
Come very hungry!
Mir wurde etwas mulmig, als Yasser erzählte, dass sie drei Kilogramm Rindfleisch eingekauft hätte. Dann erfuhr ich, dass wir nicht die einzigen Gäste sein würden, und war etwas erleichtert. Sorgen machte mir aber dann doch der Tipp von Yassers Schwester am Telefon: „You have to come VERY hungry!“
So gegen halb sechs Uhr trafen wir zum „Lunch“ in Heliopolis, einem etwas in die Jahre gekommenen Stadtteil Kairos, ein. Neben einigen persönlichen Geschenken – unser letzter Besuch liegt fast 14 Jahre zurück – brachten wir zwei Kilogramm Äpfel mit. Denn: Man kommt in Ägypten nicht mit leeren Händen!
Viel schnell essen
Nach herzlichem Empfang und gegenseitigen, fast ehrlichen Komplimenten nahmen wir im noblen Salon Platz. Ich erfuhr, dass neben zwei von Yassers Freunden seine Schwester mit Mann und erwachsenen Kindern sowie deren Ex-Nachbarin kommen würden. Sehr gut, denn Leila füllte den Esstisch mit diversen Schüsseln, Platten und Tellern, sodass eigentlich kein Platz mehr übrig blieb zum Sitzen.
Das störte aber niemanden! Als die meisten Gäste da waren, sammelten wir uns rund um den Tisch und nahmen jeweils einen Teller in die Hand. Auf ein mir nicht ersichtliches Zeichen hin stürzten sich alle auf das Essen und türmten sich große Mengen auf. Ich hatte noch gar nicht alle Speisen am Teller, war der erste schon wieder fertig mit dem Essen. Leila war besorgt: „Eat, ya Sonja! Eat!“ – „Iss, oh Sonja! Iss!“, spornte sie mich an.
Gekocht, gebraten, gefüllt
Also kostete ich mich durch Filfil machschi (mit einer Reis-Fleisch-Kräuter-Mischung gefüllte Paprika), Charschuhf (gebratene Artischocken mit Tomatenfüllung), Buftejk (paniertes Rindfleisch) mit Lamuhn machallil (eingelegte Zitronen), Tajin bamija (gekochte Okras) und Rokaak (Teigfladen mit Faschiertem gefüllt). Alles schmeckte wunderbar! „Eat, ya Sonja!“ Damit meinte Leila, dass ich mehr nehmen sollte. Sie legte mir Machschi Kronb (kleine gefüllte Krautröllchen) und Kebeb halla (gekochte Fleischwürfel) nach.
Um nicht noch mehr essen zu müssen, zog ich mich mit halb vollem Teller in den Salon zurück. Nun gab es Tee (Schwarztee mit Milch oder Grüntee mit Minze) und Obst: Guaven, Mandarinen und Bananen. Mit „Eat, ya Sonja!“ legte mir Leila eine zweite Guave auf meinen Obstteller. Als ein Geburtstagslied für die Ex-Nachbarin angestimmt wurde, war klar: Es wird noch eine Torte geben!
Zusätzlich zur riesigen Geburtstagstorte gab es zwei selbstgebackene Kuchen. Ich wollte nur noch einen davon kosten. „Eat, ya Sonja! Eat!“, war Leila unzufrieden. Ich musste passen. Zum Glück gab es kein Kunafa (süße, sehr feine Teignudeln) mehr. Danke, Leila, für das viele, köstliche Essen, deine Gastfreundschaft und deine Herzlichkeit!
Wir verkosteten Kunafa nablesiah (süße Teigfäden auf Käse) gemeinsam mit Leila am nächsten Tag in der Stadt des 6. Oktober. „Eat, ya Sonja!“
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- Ich bin Bio-Schweineexpertin, Beraterin, freie Journalistin und Hobby-Grafikerin. Meine Interessensgebiete reichen mittlerweile von Nutztierhaltung über Urban Gardening bis zum Bodenschutz. Mein Leben bleibt spannend!
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