Das Wort Komposthaufen findet sich kein einziges Mal in der EU-Bioverordnung. Dabei definiert diese seit mehr als 25 Jahren in einer Verordnung, was einen guten Bio-Betrieb ausmacht. Die Bio-Gründerväter haben aber der Kompostierung in den Grundprinzipien eine Schlüsselrolle zugeschrieben. Im Süden von Laos haben wir einen lokalen Beitrag dazu geleistet, Bio-Gesetz und Bio-Werte zusammenzuführen.
Mai Savanh Lao ist ein Bio- und Fairtrade-zertifizierter Vorzeigebetrieb. Die von einer thailändischen Zertifizierungsstelle nach EU-Bioverordnung durchgeführte Kontrolle stellt der Farm jährlich ein exzellentes Zeugnis aus. Auch wir waren bei unserer Ankunft Ende Februar begeistert. Einen so gut und umsichtig geführten Bio-Betrieb sieht man auch bei uns nur selten. Französisch-deutsch-laotische Perfektion, wenn man so will. Uns Bio-Fundis fehlte allerdings Entscheidendes: ein großer Komposthaufen und ein ordentlich geführter Rottemist.
Altes Wissen für neues Bio
Mit Michael Schneider, dem deutschen Manager des „Seidenhimmels“, kamen wir beim einen oder anderen Stamperl Lao Khao ins Bio-Philosophieren. Daraufhin übermittelte ich ihm den Link zu „Grundlagen der Bodenfruchtbarkeit“ von Heinrich Brauner. Michael kippte sogleich in die alte, aber wirklich gute Grundlagenbroschüre des Bio-Landbaus. Und zwar so sehr, dass er erstmals ein Gefühl dafür bekam, was „Bio-Bauersein“ im Kern bedeutet.
Der Tag der Bewährung kam bald
Als die Arbeiterinnen kurz darauf große Mengen eines Unkrautgrases ausjäteten, beschlossen wir, diese in einem Haufen nach alter Schule zu kompostieren. Der Haufenkompost ist zwar ein Kennzeichen bio-dynamischer Bewirtschaftung, nichts desto trotz bietet er sich auch organisch-biologischen Betrieben an. Und zwar immer dann, wenn Material „hygienisiert“ werden muss. Zum Beispiel Unkräuter, die auf der Fläche oberflächlich kompostiert, keimfähig bleiben würden.
Fehlendes Erfahrungswissen, blutige Hände
Ein ebener Platz mit guter Drainage war rasch gefunden. Der Komposthaufen baute sich ebenso rasch auf, und zwar beachtliche zwei Meter hoch und gut zehn Meter lang. Damit war er für eine sichere, aerobe Rotte zu hoch. Da uns ehrlich gesagt für das Anlegen großer Komposthaufen das Erfahrungswissen fehlte, beschlossen Sonja und ich den Anfang ohne laotische Arbeitshilfe zu machen. Beim Auseinandergabeln des riesigen Grasberges tropfte der Schweiß und die Hände bekamen blutige Blasen. Aber am Abend schauten wir stolz auf zwei schlanke, elegante Walme mit etwas mehr als einem Meter Höhe.
Dem Komposthaufen Gutes tun
Das ausgerissene Gras war idealerweise gut mit Erde vermischt. Oben drauf packten wir für das gewünschte Kohlenstoff-Stickstoffverhältnis von 20-30:1 noch frische Kuhfladen von der Weide und etwas Holzkohlenasche. Steinmehl oder gar biodynamische Präparate standen uns nicht zur Verfügung. Da zwischen November und Mai in Südlaos normalerweise konsequente Trockenheit herrscht, wässerten wir die Komposthaufen ordentlich ein. Die Männer des Betriebes bauten am nächsten Tag aus Bambusstehern, Latten und schwarzen Kulturschutznetzen einen tuktukunterfahrbaren Sonnenschutz.
Die drei Phasen im Komposthaufen
In der Abbauphase explodiert die Zahl der guten Bakterien. Die Mikroorganismen fressen das leichtverdauliche Material, ihre Atmung erhitzt das Kompostinnere auf mehr als 60 Grad.
Um wirklich alles bakteriell anzugreifen, setzte ich mit dem jungen Weltenbummler Guillaume beide Haufen nach etwa drei Wochen komplett um. Die Hitze im Kompost war beeindruckend, ebenso der Umstand, dass mit ausgedehnten Verpilzungszellen bereits Phase zwei, die Umbauphase, begonnen hatte. Die zahlreichen Pilzarten leben von den in Massen abgestorbenen Mikroorganismen sowie den etwas schwerer verdaulichen Gerüstsubstanzen der Gräser. Der Kompost war zu diesem Zeitpunkt schon deutlich geschrumpft.
Drei Phasen, drei Mal Schwitzen
Bevor Phase drei, die Aufbauphase nach etwa sechs Wochen anlaufen konnte, setzten Mister Hamnoi und ich alles noch einmal um. Dabei führten wir die beiden in Masse und Volumen deutlich geschrumpften Komposthaufen wieder zu einem zusammen und deckten diesen mit Bananenblättern dachziegelartig ab. Wenn nun der Haufen für ein paar Wochen in Ruhe gelassen wird, dann werden Millionen von Milben, Springschwänze und Kompostwürmer stabilen Humus aufbauen, das ideale Futter für den Boden.
Und warum tut man sich die viele Arbeit an?
Die Gründerväter der Bio-Landwirtschaft, Steiner, Müller und Rusch, bezeichneten einen guten Kompost als Gold jedes Bio-Betriebes. Wie man für die eigene Ernährung und die der Nutztiere viel Zeit und Aufwand investiert, so muss man auch für die Fütterung der Bodenlebewesen mindestens die gleiche Fürsorge aufwenden. Schlussendlich sorgen die Milliarden Tierchen im Boden am Bio-Betrieb für Bodenfruchtbarkeit und damit für sichere Ertragskraft der Böden. Wie heißt es so schön: „Du kannst Bodenfruchtbarkeit nicht im Sack kaufen!“ Gut aerob angerotteter Kompost stellt das ideale Futter für den Boden dar.
Projekt 2: Duftender Rottemist statt stinkendem Stapelmist
Rindermist ist auf Mai Savanh Lao die einzige tierische Düngerquelle. Mister Hamnoi sammelt all paar Tage die Kuhfladen der immer im Freiland gehaltenen Mutterkuhherde ein und führt sie mit der Scheibtruhe zur befestigten Mistplatte. Das Ergebnis war bisher ein kompakter, grünlicher, unangenehm riechender Mist. Um wieder die Gründerväter frei zu zitieren: „Wer Mist unter Luftabschluss verfaulen lässt, betreibt eine Giftfabrik am eigenen Betrieb. Solcher Mist ausgebracht schädigt Boden und Pflanzen. So wie unser Essen und das Fressen für Tiere nicht stinken darf, so darf auch das Futter für den Boden nicht stinken!“
Der Reis für die Menschen, die Spelzen für den Mist
Also begann ich mit Herrn Hamnoi auch beim Rindermist ein neues Kapitel. Den alten, verfaulten Mist haben wir gewissermaßen entsorgt. In jede neue Fuhre Mist mischten wir so viele Reisspelzen, bis eine luftige Struktur entstand. Den Misthaufen gestalteten wir sehr flach. Vermengt mit ein wenig reifer Komposterde begann die luftige Verrottung augenscheinlich gleich nach dem Aufsetzen. Mit der Zeit wird ein flacher krümeliger Komposthaufen aufgebaut sein, dessen Rottemist das ideale Futter für alle Früchte mit zeitweilig erhöhtem Nährstoffbedarf sein wird.
Für das richtige Aufsetzen des Misthaufens zeichnete Sonja eine einfache „Bedienungsanleitung“, die wir am Mistplatz prominent aushängten. Damit auch ohne unser kritisches Bio-Auge in Zukunft alle Kompostmeister wissen, was wann und wie zu tun ist.
Gesetz und Grundwerte glücklich vereint
Die nächste Biokontrolle wird die neuen Komposthaufen emotionslos in ihren Checklisten vermerken. Gleichzeitig werden die Milliarden Bodenlebewesen jubilieren, dass im Seidenhimmel von Laos nun auch die Bio-Grundwerte beeindruckend umgesetzt werden.
Buchtipp: Rusch, H.-P.: Bodenfruchtbarkeit: Eine Studie biologischen Denkens.
Webtipp: www.bio-wissen.org/
Beitrag von
- Mein Herz schlägt beruflich seit 25 Jahren für eine ökologisch-tiergerechte Landwirtschaft. Die Zukunft der Landwirtschaft kann nur so aussehen! Ich sehe es als meine Berufung, ProduzentInnen und KonsumentInnen zusammen zu bringen.
Aktuelle Beiträge
- Organic14. Oktober 2019Mit dem Fahrrad durch Bio-Österreich – Teil 2: Südlich der Alpen
- Alle Artikel23. Juni 2019Weinblätter zum Trinken – Eine erstaunliche Verkostung
- Organic13. Juli 2018Bio-Visionen live im Radio – Organic17 gehört gehört
- Organic12. März 2018Mani Bio-Olivenöl: Einmal Wien – Mani und retour