Ein Katu-Dorf nahe dem laotischen Thateng lebt vom Kaffee, besser gesagt vom Bio-Kaffee. Die Liebe zu Bio fußt nicht auf einem Entscheid des Dorfvorstehers, sondern passierte eher zufällig. „Die chemischen Dünger und Spritzmittel haben wir uns hier noch nie leisten können. Mit der Zeit haben wir dann feststellen können, dass der Kaffee ‚organic’ hier bestens gedeiht. Zudem schmeckt unser Bio-Kaffee am besten“ erzählt Captain Hook. Der Kaffee-Experte hat aber noch viel mehr zu erzählen.
Ein Felsen im Dorf
„Wenn in unserem Dorf ein Kind geboren wird, hat es keinen Namen. Diesen vergibt der Guru des Ortes erst dann, wenn die Eltern in einer Vollmondnacht einen guten Traum gehabt haben. Mein Vater träumte bald nach der Geburt von einem Felsen – in unserer Sprache: Hook – in der Brandung. Zum Captain Hook wurde ich erst viel später“, erzählt der Kaffeefreak. Wir sitzen unter seinem Haus, das wie jedes gute laotische Haus auf Pfählen steht, und nippen an seinen Hausröstungen. Es handelt sich um ein Erdgeschoß im wahrsten Sinn des Wortes, denn alles passiert direkt auf dem ockerroten Erdboden. Mit uns tummeln sich gut 30 Familienmitglieder – fünf davon sind Captain Hooks Ehefrauen, dunkle Hängebauchschweine und eine Hühnerfamilie. Allen haftet eine rote Erdpatina an.
Mehr Kaffeewissen als Wikipedia
Die rote Erde kommt vom Vulkangestein. Ohne vulkanischer Vergangenheit wächst kein Kaffee, auch nicht ohne eine Mindestseehöhe von 500 Metern und auch nicht ohne Temperaturen von 15 bis 36 Grad Celsius. Am Tag des Besuchs hat es eher 36 °C und so bleiben wir beim zweistündigen Rundgang stets im Schatten der Jackfrucht-, Litschi-, Longan- und Cassavabäume. Vor einem kleinen Kaffeebaum bleibt Captian Hook stehen und fragt uns nach der Sorte. Robusta? Arabica? Nein! Es handelt sich um die Sorte Excelsior, die aufgrund ihres höchsten Koffeingehalts gerne zur Herstellung des Koffeinextrakts für Energydrinks verwendet wird. Nach seinen Ausführungen gibt es auf der Welt 124 Kaffeesorten – Wikipedia weiß nur von 40 etwas.
Und dann erzählt er zahlreiche Ursprungslegenden des Kaffeeanbaus, von der Verbreitungsgeschichte, Details zum Wachstum von Starbucks und von den vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Kaffee. Zum Bespiel, wie man mit Kaffeetrinken rasch abnehmen kann. Er zeigt er uns, dass weibliche und männliche Bohnen nebeneinander am Ast wachsen. Dass die weibliche Kirsche zwei Bohnen in zwei Kammern und die männliche nur eine hat und zudem das Auge auf der Seite. Die männlichen Früchte betonen mehr die Säure, die weiblichen mehr das Aroma. Die Vorort-Verkostung der frischen, tiefroten Kaffeekirschen offenbart ein überraschend süßlich-säuerliches Aroma, das vor allem vom Fruchtfleisch kommt. Die ungerösteten Bohnen schmecken hingegen mild-nussig mit einem seifigen Nachgeschmack.
Robusta, wie sein Name schon sagt
Beim Weitergehen erzählt er von den unterschiedlichen Aufbereitungsmethoden, den Auswirkungen verschiedener Hitzequellen und Behältermaterialien zum Rösten und der Wirkung der Röstdauer. Dann kommt er und wieder zurück zu den Sorten. In seiner Lage, also bei etwa 600 Metern Seehöhe, und dem natürlichen Wasserangebot wächst die Sorte Robusta ideal. Diese wächst gut, hat einen sicheren und hohen Ertrag, steht lange und ist vor allem sehr widerstandsfähig und damit wenig krankheitsanfällig – was für den Bio-Anteil ideal ist. Zwischen 5000 und 12000 Kilogramm erntet er von seinen 26 Hektar Fläche pro Jahr. Beim Schälen und Rösten gehen etwa 70 Prozent des Gewichtes – vor allem Wasser – verloren…
Ameisen-Verkostung und Baum-Seifenblasen
Plötzlich entdeckt er ein spezielles Schilfgras und demonstriert uns – in der Theorie, es ist kein Vogel in Sichtweite – wie sein Volk damit Vögel jagt. Dann lässt er uns das zitrusfrische Aroma von großen, gelben, noch zappelnden Ameisen erschmecken und zerreibt ein Ameisennest zwischen seinen Händen. Er empfiehlt die erfrischende Schärfe als Deo. Wir lehnen die akute Anwendung dankend ab.
Wenig später knickt er einen Ast eines Baumes ab, fängt die austretende Flüssigkeit mit einem Blatt Papier auf, knotet aus einem Grashalm eine Öse und erfreut uns mit winzigen Seifenblasen. Dann zeigt er noch, mit welchem Blatt man eine Angebetene, mit der man eigentlich nicht sprechen dürfte, „anrufen“ kann…
Sehr böse, die bösen Geister
Zurück im Dorf deutet er auf einen Sarg unter einem Haus. Dieser steht schon vorsorglich für den Fall des Ablebens bereit. Nur rechtzeitig gezimmert und zeremoniell geweiht sind die bösen Geister milde zu stimmen. Ganz schwierig wird auch, wenn ein Familienmitglied bei einem Unfall zu Tode kommt. Dann muss nämlich der Rest der Familie fünf Jahre im Wald leben. Erst danach sind die bösen Geister vertrieben und eine Rückkehr in ein neu gebautes Haus im Dorf ist möglich. Nicht alle seine Geschichten erscheinen uns am Puls der Zeit bzw. auch ganz glaubwürdig zu sein.
Bambus-Kaffee, die Krönung im Bio-Kaffee
Sehr glaubwürdig präsentiert er zum Abschluss den exzellenten Kaffee seiner Farm. Der Robusta kommt extrem ruppig und rau daher, aber mit einem schönen Schaum. Auch sein Arabica würde keinen Preis als Blümchenkaffee erringen. Aber im direkten Vergleich schmeckt er zwar bitter, aber deutlich runder, schokoladiger und weicher. Captain Hook schwört jedenfalls auf seine Bambusfilter und Bambusbecher. Weil geschmacklich liegen nach seinem Wissen beim Kaffeegenuss selbst zwischen Glas und Porzellan Welten, und der Bambus kann es einfach noch besser.
In seiner neuen Aufgabe als Bio-Kaffeebauer und -geschichtenerzähler hat Captain Hook eine schöne neue Aufgabe gefunden. Sein Langzeit-Erzfeind Peter Pan wurde während der drei Stunden im Dorf des Bio-Kaffees kein einziges Mal erwähnt.