Nach zwei Wochen in der klischeehaft schönen Region Ha Giang war es Zeit weiterzureisen – mit dem Autobus. Unser Ziel war Cao Bang, 150 Kilometer Luftlinie Richtung Nordosten, nahe der chinesisch-vietnamesischen Grenze. Ein Blick auf die Straßenkarte ließ uns vermuten, dass uns eine abenteuerliche Berg- und Talfahrt bevorstand. Wir ahnten aber nicht wie abenteuerlich.
Der besetzte Autobus
In der zentralen Busstation hatten wir in Erfahrung bringen können, dass um 6 Uhr ziemlich sicher in Bus abfahren wird. Wir waren sicherheitshalber um 5.30 Uhr vor Ort. Im 30sitzigen Bus saßen zu dieser Zeit schon 36 Erwachsene, Kinder nicht mitgerechnet. Am Dach türmte sich das Gepäck. Unsere Rucksäcke wanderten dennoch in den Kofferraum. Geschäft ist Geschäft. Allerdings scheiterten die Bemühungen des Busschaffners kläglich, diejenigen zum Umsteigen in einen Parallelbus zu bewegen, die nicht bis zum Endbahnhof mussten. Es galt den einmal erworbenen Platz emotionsfrei zu besetzen.
Mit vollem Magen speibt es sich besser
Ein zusätzlicher Bus tauchte auf, Rucksäcke und wir fanden darin gut Platz. Die Fahrt begann sofort, eine Viertel Stunde vor dem Fahrplan. Wir freuten uns. Gleich nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof ging es allerdings im Rückwärtsgang 100 Meter zurück, um eine Familie aufzusammeln. Nach 500 Metern in Fahrtrichtung wurde der Motor abgestellt. Zeit für ein Frühstück. Die Betreiber der Pho-Küche standen allerdings gerade erst auf. Eine der Damen schwang sich auf ein Fahrrad um zehn Minuten später mit Gemüse vom Markt zurückzukommen. Das Wasser war schon aufgesetzt und alles schien nach Plan. Bis die Suppe gekocht war und alle gefrühstückt hatten war es 7.40 Uhr.
…mit Kind und Kegel
Auf den nächsten 500 Metern wurden an mehreren Stationen in den Kofferraum, den Gang und auf das Dach getürmt: Mehrere Bündel Zuckerrohr, unzählige 50 Kilo schwere Säcke mit Saatgut und Kunstdünger, beschriftete Schachteln jeder Größe, verschiedene Sackerln mit Fleisch, große und kleine Kuverts und schließlich zugeschnürter Plastiksack mit einem lebendigen Hendl.
Nächster Halt: Krankenhaus
Ortkundige stiegen erst jetzt zu. Die zuletzt Zugestiegenen mussten schon auf dem Zeugs am Gang sitzen. Um 8.10 Uhr erreichten wir die Privatadresse des Buschauffeurs. Diese Pause wurde zum Kassieren des Fahrpreises genutzt. Um 8.25 stiegen eine junge Frau und ihr Kind beim Krankenhaus aus – keine 2 Kilometer vom Start vor gut 2,5 Stunden entfernt.
Rumpeldipumpel
Und schon wurde Tempo aufgenommen. Die Fahrt ging in die Berge. Auf asphaltierten Straßen, deren Zustand in Österreich nicht einmal als Forststraßen durchgehen würden, kurvten wir hinauf und wieder hinunter und wieder hinauf… Das Hendl gluckste vor sich hin und gackerte empört, wenn es beim Gerumpel oder in Kurven umgeworfen wurde. Eine junge Dame in der letzten Reihe begann zu speiben. In den vorderen Reihen steckten drei junge Männer ihre Köpfe aus dem Fenster und erleichterten sich direkt ins Freie. Weitere Speibsackerln wurden verteilt, Erbrochenes vom Boden und den Sitzen gewischt, alle Abfälle aus den Fenstern auf die Straße geworfen.
Bitte alle umsteigen!
Die ersten Fahrgäste erreichten ihr Ziel, einzelne Saatgutsäcke wurden an bestimmten Adressen wie Poststücke ihren Empfängern zugestellt. Mitten im Nichts gab es eine Pinkelpause. Alle stiegen aus dem Bus und pinkelten ohne erkennbare Scham im Umkreis von 50 Metern vom Bus. Um 11.40 Uhr erreichten wir Bac Me. Ein Drittel der Reise war geschafft.
Ein anderer Autobus, gleiche Erlebnisse
Der Anschlussbus wartete schon. Davor wurden wir aber von der Schaffnerin in eine Garküche bugstiert, in der wir um bescheidene 10000 Dong (umgerechnet EUR 0,42) eine frisch gekochte Nudelsuppe genossen. Als plötzlich der Bus mit unserem Gepäck losfuhr, zeigten wir kurze Hektik. Diese wurde mit Handzeichen beschwichtigt. Um 12.15 Uhr war des Bus wieder da und weiter ging die Fahrt. Die Erlebnisse des ersten Fahrtabschnitt wiederholten sich fast deckungsgleich. Um 1/2 6 Uhr wurde es dunkel. Um kurz vor ½ 7 Uhr am Abend erreichten wir – leicht gerädert – Cao Bang. Für die 270 Kilometer hatten wir nur fast 13 Stunden gebraucht.
Am nächsten Tag fahren wir Moped
Am nächsten Tag fuhren wir zu den beeindruckenden Ban Gioc-Wasserfällen – mit einem geliehenen Motorbike. 80 Kilometer in eine Richtung sind lang, die Temperaturen waren niedrig, leichter Nieselregen mischte sich dazu. Wir froren uns fast die Finger ab. Wir hätten doch mit dem knallroten Autobus fahren sollen!?
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- Mein Herz schlägt beruflich seit 25 Jahren für eine ökologisch-tiergerechte Landwirtschaft. Die Zukunft der Landwirtschaft kann nur so aussehen! Ich sehe es als meine Berufung, ProduzentInnen und KonsumentInnen zusammen zu bringen.
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